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Städte, die ihre Ueberlegenheit in der schwierigen Wissenschaft des change-ringing, des Wechselläutens, so sehr zu preisen wissen, finden in Meran ihre Nebenbuhlerin, und die dortige Thurm- und Läutgesellschaft ist wohl befugt selbst dem berühmten Lancashire-bell-ringing-club den Handschuh hinzuwerfen. Das Innere der Kirche hat in der Ausschmückung nichts Alterthümliches mehr, dagegen etliche Gemälde von Martin Knoller, dem hochgefeierten, und eines, die Heiligen Sebastian, Rochus und Fabian darstellend, von Christoph Helfenrieder, einem Münchner Maler, der eine junge Frau hatte und bei ihr eines Tages im siebenzehnten Jahrhundert einen jungen Officier traf, diesen erstach, mit jener floh und sich ins stille Thal von Schnals begab, wo er bei den Karthäusern seine Kunst übte, und dann nach Meran, wo er ebenfalls malte und starb. Im Friedhof um die Pfarrkirche her liegen die seligen Meraner und mit ihnen im kühlen Grabe auch schon mancher, der der Genesung wegen aus der Ferne hiehergekommen, zu spät hieher gekommen, wie die Eingebornen sagen, denn sie behaupten, wer zur rechten Zeit komme, der müsse genesen.

Ein anderes schönes Gotteshaus steht außerhalb der Passerkirche und ist die Kirche des Spitals. Das gothische Portal zeigt oben einen besonders zierlichen Junker und eine fromme Frau, die auf beiden Seiten Gott Vaters knien, welcher den gekreuzigten Heiland in den Händen hält. Mit diesen Gestalten sollen Herzog Meinhard II und seine Gemahlin Elisabeth gemeint seyn, welche die ersten Gründer des Spitals waren. Im Innern ragen und ziehen die Pfeiler leicht und von hellem Lichte durchwebt empor in der schmucken Weise unsers alten Styls. Die schönen Glasgemälde an den Fenstern sind nicht zu übersehen und auch auf den Thürflügeln der alten Orgel sind innerhalb noch gute vorzeitliche Gemälde erhalten. Auf der rechten Seitenwand ist die traurige Chronik der Ueberschwemmungen aufgeschrieben, die aus dem Wildsee in Passeyr über Meran zerstörend hereinbrachen. Es werden vom Jahre 1419 bis zum Jahre 1774 ihrer acht besonders schädliche hervorgehoben. Deßwegen konnte auch Lertha, der Dichter von Kains, mit Recht von der Passer sagen:


Empfohlene Zitierweise:
Ludwig Steub: Drei Sommer in Tirol. München 1846, Seite 295. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Drei_Sommer_in_Tirol_(Steub)_303.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)