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mit bleichen südlichen ab und wie sich in diesen vielleicht ein Nachwirken alten romanischen Blutes zeigt, so wohl auch in den rabenschwarzen Haaren, die freilich minderzählig neben den hellblonden zu gewahren sind. Die Haare, blond oder schwarz, werden aber aus der Stirne rückwärts gestrichen und nach dem Nacken hin auf italienische Weise durch eine breite Nadel festgehalten, worin nach Albert Schott ein Kennzeichen alemanischer Abkunft zu Tage läge. Sonst wollen Sachverständige die Tracht nicht vortheilhaft nennen, behauptend, die schweren violbraunen Röcke seyen dem Heraustreten des schönen Wuchses nicht förderlich und verliehen der Gestalt eine unbehülfliche Hülle. Anerkannt dagegen ist die kleidsame Pracht der brennrothen Strümpfe, und die Umschlingung des seidenen Halstuches, das sich rückwärts den vollen Nacken halb enthüllend, herzförmig einsenkt, ist besonders reizend ausgedacht.

So ist’s denn eine liebe Betrachtung das körnige Bauernvolk im Burggrafenamte, wie es umgeben von einem Kranze hoher Schneeberge in der warmen grünen Tiefe lebt, unter dem heißen italienischen Himmel, in der schmalen Ebene, die wie ein Herd erscheint, um Hitze auszukochen, – jetzt nachdem die Westgothen vorlängst spanisch, die Burgunder französisch, die Longobarden italienisch geworden sind, der letzte Rest germanischer Zunge, der unter Feigen- und Mandelbäumen Haus haltet. Ja von allen andern deutschen Stämmen, die einst mit gezücktem Schwerte über die hohe Wand der Alpen und der Pyrenäen nach den europäischen Südländern stiegen, von allen, die dort zu Ehren, Macht und Ansehen gekommen, ist keiner bei seiner Sprache und seinen Sitten geblieben, aber hier im oberitalischen Paradiese an der Etsch sitzt noch die ganze Gefolgschaft hochstämmiger Recken in urkräftiger Deutschheit beisammen, immer noch abweisend und schroff gegen den wälschen Nachbar, wie vor anderthalbtausend Jahren. Dieses Häuflein war so klug, nachdem die Mauer übersprungen, im ersten Vorhofe stehen zu bleiben. Hätte es sich weiter hineingewagt in den lockenden Feengarten, so wäre es wohl auch verzaubert worden und verschollen für die Heimath. Deßwegen hat auch die Stellung des deutschen Bauern an der

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Ludwig Steub: Drei Sommer in Tirol. München 1846, Seite 316. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Drei_Sommer_in_Tirol_(Steub)_324.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)