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sich’s aus wenn im frühen Sommer durch den Laubengang hin die weißen Rinder den Pflug ziehen, den der Bauer rufend leitet. So zierlich und bildgerecht indeß diese Lauben sind, ein so gartenmäßiges, schmuckreiches Ansehen sie der Gegend auch verleihen, so werden sie doch und nicht mit Unrecht der großen Kosten des Holzes wegen von Vielen angefeindet und der rheinländischen Art des Baues, die auch bei Brixen gilt, obwohl bisher ohne werkthätige Folgen, der Vorzug gegeben. Sie sind wohl ein Vermächtniß der alten romanischen Weinbauern; und wie man die Güter und die Art der Bebauung von den Romanen übernommen, so hat man auch aus ihrer technischen Sprache für Rebe und Wein und was damit zusammen hängt, vieles sich angeeignet und bis auf den heutigen Tag bewahrt. Die Lauben selbst heißen in Meran von ihrer Brückenform Puntaunen (Pontone), in Bozen Bergeln (Pergola); die senkrechten Balken nennt man zwar je nach ihrer Dicke Stangen und Stecken, die obenauf liegenden Latten aber je nach der Richtung Stallein oder Marzan, von Stetone, Stengel und Marza, Propfreis. Dünne Rüthchen, die an der Seite eingesteckt werden, um junge Rebtriebe daran aufzuziehen, heißen Manail (Manuale). Für Kelter gebraucht man das am Bodensee gleichfalls übliche Torkel[WS 1]. Auch die Mäßerei wird mit undeutschen Ausdrücken bezeichnet; vier und eine halbe Maaß heißen eine Pazeide (Bacceda), fünfundfünfzig eine Ihrn, was ehemals auch Uern geschrieben wurde, und vom lateinischen urna herkommt. Auch die Traubengattungen haben zum Theile noch romanische Namen, wie Verseil, Vernatsch, Lagrein u. s. w. Letztere beide sind wohl nach ihrem Stammlande benannt, da Vernatsch als Veronaccia angesehen, auf Verona, Lagrein, aber als Lagarina betrachtet, auf das Lägerthal, Val Lagarina deutet, welches sich unter Roveredo der Etsch entlang an die Clausen von Verona erstreckt.

Was die Bereitung des Weins betrifft, so werden die Trauben nicht wie anderswo vom Stocke herab auf die Kelter gebracht und gepreßt, sondern zuvörderst in offene Bottiche geworfen und mit Knütteln zerquetscht. Was daraus entsteht, ein jauchenähnlicher Saft voll schwimmender Hülsen und Stengel, heißt


  1. siehe Torkel
Empfohlene Zitierweise:
Ludwig Steub: Drei Sommer in Tirol. München 1846, Seite 321. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Drei_Sommer_in_Tirol_(Steub)_329.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)