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trug das Hauptbanner von Oesterreich in der Schlacht bei Sempach und fiel daselbst. Bald darnach erreicht man auch St. Pankraz den Hauptort des Thales, wenn an einem Sonntage, sehr geeignet, um viele Thälerer beisammen zu sehen und unlieb zu bemerken, daß außer den grünen Hütchen die Thaltracht in den schlichten Jacken und langen Hosen der nahen Wälschen untergegangen ist. Ultenthal galt sonst im Süden, was Zillerthal im Norden des Brenners – Lustbarkeit, Liedersang, Sagen und Mährchen, bedeutsame Volkssitten hatten hier vor Zeiten ihre süße Heimath – jetzt ist’s aber so ziemlich wie die andern, eben so andächtig und eben so freudenlos.

Von St. Pankraz geht der Weg am Bache fort, bis sich nach einer halben Stunde zur linken eine Schlucht öffnet, welche jene betreten müssen, die ins Mitterbad von Ulten wollen. Abermals nach einer halben Stunde erreicht man auf ansteigendem Wendelpfad diesen berühmten Curort. An den Geländern der Terrasse stehen schon die ältern Gäste und harren neugierig, was der Tag wieder für neuen Zulauf bringen werde.

Ultnerbad ist das besuchteste in Deutsch-Tirol und zählte zum Beispiel im Jahre 1842 gegen achtzehnhundert Gäste. Das Wasser ist eisenhaltig und oft von wunderbarer Wirkung. Des Bades Aeußeres ist sehr anspruchslos; ein einstöckiges gemauertes Gebäude, in dessen Erdgeschoße der Speisesaal; das Hinterhaus von Holz. Neben dem Badehaus steht ein andres, worin Nachmittags Kaffee getrunken, Abends getanzt wird; nicht weit davon die Capelle, fleißig besucht, belebt von Messen, Vespern und Rosenkränzen, welche die geistlichen Gäste hier abhalten. Als Spaziergang dient die kleine Terrasse vor der Anstalt, die freilich nur für die Schwachen und Siechen ausreicht. Rasche, kräftige Jugend muß sich Bewegung in den Bergen suchen, die von allen Seiten aufragen.

Es ist erstaunlich, was manche dieser Bergbäder für reizlose Lagen haben! Die des vorliegenden ist die Unschöne selbst – ein schmales Gereute in einem engen Waldtobel, keine Aussicht als auf rothe Wände, mageren Forst, unbebaute

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Ludwig Steub: Drei Sommer in Tirol, München 1846, Seite 361. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Drei_Sommer_in_Tirol_(Steub)_369.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)