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Bischof Egno von Brixen eingeweiht, dicht am Abgrunde, der sich in die Thalgegend von Meran hinabsenkt. Sie erscheint, von unten auf gesehen, frei und schlank, wie in einer Waldlücke stehend, den blauen Himmel hinter sich – davon ihr Name. Mir schien sie immer wie das Wahrzeichen der Meraner Gegend, in ihrer ausgezeichneten Lage auf der ragenden Höhe mit dem röthlichen Thurm, den die Abendsonne am letzten küßt, Sehnsüchtiges Schauen für den lungenschwachen Curgast, der des Abends zu Meran auf der Wassermauer sitzt, wie die Schatten an den rothen Felsen so leicht und sicher hinansteigen und an dem Thurm hinaufklettern, zu dessen Füßen die frischen Bauernjungen von Hafling lustig spielen. There are the young barbarians all at play – aber ihr fröhliches Rufen hallt nicht ins Thal herunter – das Kirchlein steht still in abendlicher Einsamkeit am hohen Horizont.

Hier oben in der Scharte ist eine herrliche Aussicht über das Thal von Meran, von Lana aufwärts bis nach Partschins, das so sommerfrischlich herauf winkt. Die tiefgrünen Matten an der weißen Etsch, die aus dem engen Rachen des Vintschgaues heraus stürzt, die Rebenhügel auf den Halden, die Dörfer, die Häuser und die Burgen, die Stadt mit ihrem hohen Thurm, alles liegt so schön gestickt, so reinlich abgemalt, so frisch und wonnig vor dem Auge, und die hohen kalten Jöcher stehen schützend um das kleine Paradies. Der Einblick in nahe, deutliche Gartengelände trifft den Beschauer oft viel freudiger als das Erspähen kolossaler Erhabenheiten, die in blauer Ferne verschwimmen.

Im übrigen ist das Dorf wenig besucht, vielleicht weil das Wirthshaus schlecht ist, vielleicht ist auch das Wirthshaus so schlecht, weil wenig Gäste kommen. In der Bozner Gegend sind auf gleicher Höhe die früher genannten Sommerfrischen; in Hafling dagegen ist ungemischte Bäuerlichkeit ohne städtische Zuthat. Die Meraner haben für ihren Bedarf Anstalten genug im Thale. Der Menschenschlag ist stark und wohlgebaut, gleich dem im Sarnthal und dem um Meran, zwischen welchen beiden er seine Wohnungen erbaut hat.

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Ludwig Steub: Drei Sommer in Tirol, München 1846, Seite 406. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Drei_Sommer_in_Tirol_(Steub)_414.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)