drittes das dahinter steht, ist von Holz. Auch hier ist für
ärmere Leute durch mäßigeren Tisch und billigere Herberge
besonders gesorgt. Die reichern Gäste führen dasselbe nährende
Leben wie zu Ulten, wozu wir den Abendimbiß, dem wir
beiwohnten, zum Zeugen nehmen. Vorher wurde in der Badcapelle
von einem Geistlichen der Abendsegen gebetet, wobei
Reich und Arm erschien. Die frommen Verrichtungen des
Tages, an die der Tiroler in der Heimath gewohnt ist, will er
auch als Gast im Bade nicht missen. An Priestern hiefür ist
selten Mangel, da auch die Geistlichen ihre Sommerfrischen
am liebsten in den Bädern zubringen. Auch dießmal waren
ihrer etliche sechs an der Tafel und saßen oben auf; dann kamen
ein paar Familien aus Bozen, dann die beiden Herren aus
Bayern, dann etliche junge Leute uns unbekannter Herkunft
– in allem etwa dreißig Personen und eigentlich nur
der Rest der Gesellschaft, die im vorigen Monat drei- und
viermal zahlreicher gewesen. Durchschnittlich soll in guten Sommern
die Gesammtzahl der bessern Leute auf 500 steigen. Der
bekannteste darunter ist der Mondscheinwirth von Bozen, der
hier schon viele, viele Jahre her seine Sommerfrische hält,
und deßwegen auch bei seiner Ankunft mit knallenden Böllern
empfangen wird, eine Ehre, um die ihm schon mancher neidig
gewesen seyn soll. Nach allem was wir an andern Orten
gesagt, ist es wohl überflüssig auch hier wieder von freundlichem
Empfang und liebreicher Sorgfalt der Wirthsleute zu
sprechen.
Auch der Tirolerbote liegt zu Ratzes auf; sogar ein Ansatz zu einer Badebibliothek ist gemacht und für dichterische Ergießungen, die nicht selten scheinen, steht das Fremdenbuch offen. In diesem fand ich auch eine Aufzeichnung der Meereshöhen verschiedener Orte der Gegend in Wiener Fußen nach Dr. Jos. Oettl. Laut dieser ist die Spitze des Schlernkofels 8720, das Ratzeserbad aber 4161 Fuß über dem mittelländischen Meere. Andere Angaben finden sich im eilften Bändchen der neuen Zeitschrift des Ferdinandeums. Nach diesen wäre der Rücken des Berges 8094, das Bad 3885 über dem Meeresspiegel.
Ludwig Steub: Drei Sommer in Tirol, München 1846, Seite 420. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Drei_Sommer_in_Tirol_(Steub)_420.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)