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eine Gabe ansprach. Während wir uns darüber verwunderten, begann er englisch zu reden; als wir ihm in diese Sprache folgten, flüchtete er sich ins Französische und aus der Langued’oui ins Italienische und zuletzt sprach er holländisch und deutsch. Das hatte er alles auf seinen Fahrten gelernt, die er in bessern Jahren als Kriegsmann gethan haben wollte. Nicht alle Grödner werden reich in der Fremde und der arme Mann scheint’s nie gewesen zu seyn. Jetzt einmal saß er gerade gegenüber einem hohen Hause, das ein anderer Grödner erbaut hat, der vor einigen Jahren mit Hunderttausenden von Thalern aus Valencia, aus demselben Lande zurückgekehrt ist, in dessen Mundart der arme Lazarus am Wege von den Fremden Almosen heischt.

In St. Ulrich war indessen am Matthäustage den 21 September 1843 großer Markt und Ehehaftstheiding, welch’ letzteres sagen will, daß eine Commission vom k. k. Landgericht zu Castelrutt anwesend war, um die Geschäfte der freiwilligen Gerichtsbarkeit am Orte selbst abzuthun. Dieß Ehehaftstheiding hatte seinen Sitz im Wirthshause zum Rössel aufgeschlagen und arbeitete stets bedrängt von Bauern bis in die Nacht hinein, so daß wir gar keinen der Beamten zu Gesicht bekamen.

Der Markt hatte viele Leute zusammengeführt und im Rössel-Wirthshaus waren alle Bänke voll zechender Grödner, welche viele schweinerne Rippchen und geräucherte Schnitze aus der Küche an sich zogen, und überhaupt viel aufgehen ließen, was den jungen Wirthsleuten schöne Hoffnung für die Zukunft zu geben schien.

Die jungen Wirthsleute bestanden aus einem Grödner und einer Klausnerin, worunter man jedoch nicht etwa ein einsiedlerisches Frauenbild, sondern eine Tochter des kleinen Städtchens Klausen, welches draußen am Eisack liegt, verstehen wolle. Er war ein hübscher junger Mann, der aber seine Wanderjahre zumeist in Italien verlebt hatte und nur gebrochen deutsch sprach, sie war eine schöne Frau, die aber kein Grödnerisch verstand, auch nicht italienisch. Daher mußte auch ihr Gatte alles deutsch mit ihr verhandeln. Es mag eine wehmüthige Empfindung seyn für einen liebenden Ehewirth,

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Ludwig Steub: Drei Sommer in Tirol. München 1846, Seite 421. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Drei_Sommer_in_Tirol_(Steub)_429.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)