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dem reisenden Geognosten aus Sachsen, zu üben wagten. Es hält schwer zu sagen, schreibt er in den Beiträgen zur Geognosie von Tirol, den Gang von Picolein herauf nach St. Leonhard schildernd, was wir mehr bewunderten, ob die Größe, die Schroffheit, die wilde Zerreißung, die völlige Entblößung von aller Vegetation, oder die blendende, lichte Farbe dieser Dolomite, die von der Sonne glänzend beschienen, gegen den tiefblauen Himmel wunderbar abstachen. In ehrfurchtsvoller Scheu schritten wir voran, nicht ahnend, daß wälsche Heimtücke uns in diesen abgeschiedenen Thälern verletzend entgegentreten würde.

Aber noch am selben Tage, als man bei Herrn Dapunt wohl zwei Stunden lang anhaltend mit der Auswahl von Petrefacten beschäftigt gewesen und schon das Einpacken der ausgesuchten Dinge, die etliche Loth wiegen mochten, theilweise beendigt war, fragte man nach dem Preise und erhielt unter Lächeln die Antwort, daß man achtzig Gulden Conv. Münze bezahlen sollte und daß es gleich sey, ob man den ganzen Vorrath, oder das Wenige behalte, was ausgesucht worden. Es wurde dem Wirthe bemerkt, daß er das eher hätte sagen können, und als das Gebot von zehn Gulden Conv. Münze für das Ausgesuchte gemacht wurde (offenbar mehr als es werth war), ergriff er mit großer Ruhe die noch uneingepackten Petrefacten, schüttete sie in den Kasten zu den übrigen und mischte sie ihnen sogleich zu, mit den Händen alles sorgfältig durcheinander knetend, bei welcher Mißhandlung[WS 1] so schöner und zarter Petrefacten er den Reisenden näher ans Herz griff, als durch die höhnische Zurückweisung ihres Geldes.

Natürlich wurden alle weiteren Unterhandlungen mit ihm abgebrochen und man schied in gerechtem Zorne von ihm, während seine lächelnde Miene der Vorwürfe ungeachtet dieselbe blieb. Gleichwohl möchten wir hier weniger Böswilligkeit als jene fromme Einfalt sehen, die nicht recht weiß wie sie mit ihren Schätzen daran ist, und da Herr Petzholdt in der guten Absicht, die Nachkommenden vor der Arglist dieses wälschen Wirthes zu sichern, eine förmliche Warnung hat ergehen lassen


  1. Vorlage: Mißhandhandlung
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Ludwig Steub: Drei Sommer in Tirol. München 1846, Seite 462. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Drei_Sommer_in_Tirol_(Steub)_462.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)