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gewesen seyn. Auch die Bischöfe klopften oft in unruhigen Zeiten unerwartet an des Schlosses Pforte und überwetterten da, bis die Luft zu Brixen wieder heiter war. Seitdem aber der letzte Schloßhauptmann ausgezogen, hat man die Burg ihrer besten Geräthschaften und ihres Archivs beraubt, letzteres wie es scheint zerstört, und das Gemäuer der langsamen Vernichtung hingegeben. Bei den Eingebornen heißt es Castel d’Andraz, und es gehört jetzt der Familie Faber im nahegelegenen Cernadoi, welche das Gebäude sammt Bauerschaft unter der bayerischen Herrschaft um 18,000 fl. gekauft hat. Man versichert, sie hätte damit eine sehr gelungene Speculation gemacht, da vor ein paar Jahren 20,000 fl. allein aus verkauften Waldungen gelöst worden seyen. Es ist übrigens fast seltsam, daß die Burg, obgleich sie schon weit drinnen in Wälschland liegt, noch einen so guten deutschen Namen führt und diesen auch auf die Gegend übergetragen hat. Der Adel dieses abgelegenen, durch keinen Fahrweg erreichbaren Hochlandes scheint aber auch deutschen Ursprungs gewesen zu seyn. So wird im Jahr 1296 eine Domina Agnesa vidua Conradi de Corte de Livina longa cum filiis suis Meinle, Wilhalm et Conrad erwähnt und es erhellt aus den Taufnamen der Kinder, besonders aus jenem Meinle, der wohl dem Grafen Meinhard von Görz nachgetauft ist, daß in der Familie deutsch gesprochen wurde. Auch unter den Pfarrern waren in älteren Zeiten viele Deutsche.

Ehe nun das Dorf Andraz erreicht wird, ist es Pflicht den Leser aufmerksam zu machen, daß wir abermals in ein neues Sprachgebiet treten, und zwar ins Fodomische. Das kleine Landgericht Buchenstein wird nämlich von dreitausend Aelplern bewohnt, welche von ihren wälschen und krautwälschen Nachbarn in Fassa, Gröden, Enneberg und Ampezzo Fodomi genannt werden. Dr. Staffler behauptet nicht unwahrscheinlich, dieser Name erkläre sich aus Feud’uomini, und beziehe sich auf die Lehensverhältnisse, in welchen die Buchensteiner früher zu den Bischöfen von Brixen standen. Sie selbst nennen sich nicht mit diesem Namen, hören ihn auch nicht gerne von andern. Wenn sie weiter über die italienische Gränze gehen,

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Ludwig Steub: Drei Sommer in Tirol. München 1846, Seite 475. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Drei_Sommer_in_Tirol_(Steub)_483.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)