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vorhanden gewesen, wollte um eilf Uhr abbieten, wurde aber verhöhnt. Die ältern Gäste waren schon alle nach Hause und nur die Buben standen noch in ziemlicher Anzahl auf dem Platze. Der Aufführung nach hätte man Jörgeln für den jüngsten halten sollen, denn heute war er in der herrlichsten Laune. Zumal freute es ihn, daß sich seine Gäste so wohlgezogen benahmen und daß kein erheblicher Unfug ausbrach. Einige Ansätze zu Raufereien, die sich mitunter ergaben, wurden immer glücklich im Keime erstickt; aber das konnte nicht verhindert werden, daß der Brunnhäuser dem Metzger von Gossensaß den Hut „antrieb,“ so daß der Cylinder über Ohren und Nase hinunter fuhr, die harte Stirne des alten Gothen den Deckel sprengte und nun sein rothes Gesicht sich aus dem Hute, als aus einer Halsbinde, leuchtend erhob, wie die Herbstsonne über grauem Nebelgewölk. Der Metzger, der in der besten Absicht auf die Kirchweih gekommen, aber jetzt betrunken war, nahm die Sache nicht so gar übel. Er betrachtete wehmüthig den Deckel seines Hutes, den man ihm wieder zugestellt hatte, und legte sich dann mit lächelndem Grolle schlafen unter die Bank. Dort fand ihn noch die Morgenröthe. Die Andern zogen nunmehr still nach Hause, zumeist auf Jörgels Bemerkung, wie fein es wäre, wenn man jetzt auseinanderginge, ehe noch etwas Unfeines vorgefallen. Es war um Mitternacht und das war die Duxer Kirchweih.

Andern Tages brach ich auf nach Zell. Resele, die gute menschenfreundliche Resi, war bis zum letzten Augenblick bemüht, mir Liebes zu erweisen, und da ich gestern schon dem Organisten gesagt hatte, er solle mir das Finkenberger Alpenlied abschreiben lassen, so fragte sie, ob dieß geschehen sey und da es nicht geschehen war, so erbot sie sich selbst, es mir anzugeben, und da sie fand, daß sie keine Zeit finde, so führte sie mich bei Maidele ein, welche ihres Uebels wegen heute im Bette lag und mir willfährig zu dictiren anfing, mit hochdeutschen Anflügen, die sie in der Schule und zu Innsbruck gewonnen haben mochte, denn auch sie war ihrer Bildung willen schon etliche Monate in der Hauptstadt gewesen. Ich habe schon zweimale behauptet, daß das Lied eine schöne

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Ludwig Steub: Drei Sommer in Tirol, München 1846, Seite XXX. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Drei_Sommer_in_Tirol_(Steub)_539.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)