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erjodelt hatten. Die Zillerthaler reden übrigens gerne von ihren weitgereisten Landsleuten und ihre Bildnisse hängen an vielen Wänden. Man sieht sie mitunter auch dargestellt, wie sie in England vor dem Könige sangen und bemerkt, daß sie dort manches angenommen, was sich zu ihrer heimischen Einfachheit kaum recht zu schicken scheint. Die Männer tragen da einen breiten Hermelinbesatz an den Jacken, und das Mädchen, welches in der Mitte steht und die Guitarre spielt, erscheint gar in einem atlassenen Ballkleid mit nackten Schultern wie die Stadtdamen, statt in dem schönen, kurzen Röckchen der Jungfrauen von Fügen.

Uebrigens ist Herr Rainer zum Hacklthurm ein sehr billiger, freundlicher Wirth, und jetzt seit Jahren mit einer stattlichen Frau verheirathet. Er hat drei seiner Kinder, zwei Mädchen und einen Knaben, das älteste zur Jungfrau erblühend, das jüngste kaum erst schulpflichtig, bereits herangeübt, um die Gesänge zu singen, die sein Glück begründet haben, und als ich Abends allein beim Essen saß, begannen sie alle, der Vater als Bassist auch dabei, unter der Thüre eine schönes Alpenlied. Die wohlklingenden Stimmen und der gutgeübte, tactfeste Vortrag geben ein hübsches Abbild dessen, was einst die Engländer so höchlich entzückt hat.

Als ich ein andermal ins Zillerthal zog, ging ich von Schwaz herab und vorn herein. Es war in der Frühe des 8 Septembers 1844, eines Sonntags. Wir schritten unser zwei durch den Morgennebel, aus welchem Tratzberg leuchtete, am Ufer des schönströmenden Inns hinunter nach Margreten, um die Wirthstöchter zu sehen, deren Schönheit zuliebe jeder sinnige Fußwanderer gerne ein Seidel Wein trinkt. Von da kamen wir nach Rothholz, an dessen ansehnlichem Schlosse, mit Namen Thurnegg, wir vorübergingen, hinaufschauend an den Berg, wo sich eben aus dem Dufte die alten Thürme von Rottenburg losrangen – von Rottenburg, wo einst Notburga, die fromme Magd, gewaltet. Von Rothholz gingen wir nach Straß, über dem die ehemalige Einsiedelei Brettfall auf einer Felsennase sitzt, warfen einen Blick hinüber auf die herrliche Ruine von Kropfsberg und erreichten

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Ludwig Steub: Drei Sommer in Tirol, München 1846, Seite 542. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Drei_Sommer_in_Tirol_(Steub)_550.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)