Seite:De Drei Sommer in Tirol (Steub) 612.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

und Sonnenburg gegründet waren, erbaute Bischof Bruno von Brixen um die Mitte des dreizehnten Jahrhunderts das Schloß und die Stadt Brunecken. Die Bischöfe besaßen im Umkreise viele Güter und mochten daher gerne eine verlässige Veste haben zu eigenem Aufenthalte. Den Cardinal von Cusa konnten ihre Mauern aber gleichwohl nicht schützen, sondern als das Kriegsvolk Herzog Sigmunds, mit dem er zerfallen war, am Morgen des Ostertages 1460 das Schloß erstürmt hatte, mußte er als Gefangener einen Vergleich eingehen, was der Anfang neuer Zwiste war. Ein andrer Kirchenfürst von Brixen flüchtete sich 1525 hieher, als das Bisthum durch den Bauernaufstand in die ärgste Verwirrung gestürzt war; auch Kaiser Karl dem Fünften bot das Schloß die erste sichere Ruhestätte, als er, von Herzog Moriz von Sachsen aus Innsbruck vertrieben, gichtkrank in einer Sänfte über den Brenner hatte flüchten müssen. In demselben Jahrhundert verbreiteten sich lutherische Meinungen auch nach Brunecken, wie sie denn dazumal ebenso im Taufererthale Anhänger fanden. Erst mit dem Ende dieses Zeitraums gelang es den Bischöfen der religiösen Bewegung wieder Herr zu werden. Was die neuere Zeit betrifft, so ist die Stadt Brunecken im Jahre 1809 von vielen Nöthen bedrängt worden, deren ausführliche Erzählung wir aber Dr. Staffler nicht entnehmen wollen.

Brunecken, das heitere Städtchen, zählt als Sitz des Kreisamtes, des Landgerichtes und eines Rentamtes einen bedeutenden Beamtenstand, viele gebildete Herren, Frauen und Fräulein. Man lebt sehr gefällig zusammen und es fehlt nicht an gemeinschaftlichen Spaziergängen, an Abendunterhaltungen mit Gesang, Declamation und Tanz. Hermann von Gilm, der begabteste unter den jungen Dichtern von Tirol, jetzt nach Roveredo versetzt, wird von den Bruneckern ungern vermißt, als einer der so viel gethan, die Geselligkeit in ihrem Weichbilde zu verschönern. Ferner hat man ein wohlversehenes Lesecabinet – ein Vorzug, den ich sehr gerne hervorhebe. Man fühlt sich hier in Sitte, Lebensart und Manier dem Treiben der fröhlichen Städte von Nordtirol viel näher, als dem schwülen Wesen im Etschlande.

Empfohlene Zitierweise:
Ludwig Steub: Drei Sommer in Tirol, München 1846, Seite 604. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Drei_Sommer_in_Tirol_(Steub)_612.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)