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geschieden, und jedem anheimgegeben, einen Vertreter abzuordnen. Die Ausschußmänner der zum Viertel gehörigen Gerichte senden zwei Deputirte nach dem Orte der Wahlconferenz, die dort unter Leitung eines hiezu ermächtigten Landrichters die Wahl des Vertreters nach Stimmenmehrheit vollziehen. Bei dem unbedingten Vertrauen, das der Tiroler Landmann zur Zeit in die höheren Einsichten seiner Obrigkeit zu setzen gewohnt ist, möchte es diesen Wählern schwer werden, sich von dem Einfluß der Landrichter immer ganz frei zu erhalten. Uebrigens hängen alle Wahlen von der landesfürstlichen Bestätigung ab, und die Wirksamkeit eines Repräsentanten endet sich regelmäßig nur mit dessen Tode. Ersteres verhütet das Eindringen unlieber Personen, letzteres dämpft den ständischen Ehrgeiz, da keine Wiedererwählung in Frage steht. Jeder Vertreter bezieht des Jahres für Präsenzgebühren und Reisegelder einen Betrag von 300 fl.

In den Congreßsitzungen hat der Landeshauptmann das Präsidium. Der Landeshauptmann als Vorsitzer der ständischen Collegien, als ihr Sprecher gegenüber Seiner kaiserlichen Majestät, war in ältern Zeiten eine sehr wichtige Person; er galt, wo immer die Stände mit der Regierung in Uneinigkeit geriethen, als der Pfeiler des Widerstandes. Es war daher in Kaiser Josephs Sinn nicht übel angelegt, als er verordnete, die Stelle des Landeshauptmanns solle künftighin mit der des Landesgouverneurs vereinigt seyn. Auf dem offenen Landtage von 1790 wurde indessen den Ständen verkündigt, daß Kaiser Leopold diese beiden Würden wieder trennen und der Landschaft gestatten wolle, dem Hofe zur Ernennung des Landeshauptmanns einen dreifachen Vorschlag zu machen. Diese Entschließung wurde unter Trompeten und Paukenschall und ungeheuerm Beifallruf verlesen. Freilich war der schon lange verhallt, als Kaiser Franz neuerdings dieselben Aemter vereinte, welche sein Vorfahrer auseinander gethan hatte. Man mag sich billig wundern über das Zutrauen dieser Zeiten, welche zwei ihrer Natur nach so verschiedene Gewalten ohne Arg in einem Haupte nebeneinander[WS 1] ruhen sehen.


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Ludwig Steub: Drei Sommer in Tirol, München 1846, Seite 620. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Drei_Sommer_in_Tirol_(Steub)_628.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)