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Aehnliches wird sich nicht wieder machen lassen, wie 1401, da Herzog Stephan zu München und seine Gemahlin und die Fräu­lein auf dem Markte tanzten mit den Bürgerinnen bei dem Sunnwendfeuer, oder wie 1497, da zu Augsburg vor Kaiser Maximilian die schöne Susanna Neidhart das Johannisfeuer mit einer Fackel anzündete und den ersten Reigen um die Flamme that an der Hand Philipp des Schönen. Wenn da ehemals die Fürsten mit dabei waren, so läßt sich wohl denken, daß sich auch die Herren und die Bürger solcher Mitwirkung nicht zu schämen brauchten. Jetzt aber haben sich die „anständigen“ Leute schon lange von allen solchen öffentlichen Vorstellungen zurückgezogen, und so ist zuletzt die Bewahrung dieser Alterthümer dem un­tersten Volke zugefallen, was allerdings ihr letztes Stadium scheint. Immerhin wird den tirolischen Volkserziehern der Tadel bleiben, daß sie aus der Physiognomie des Landes viele schöne Züge weggestrichen haben, die sie ruhig von selbst er­löschen lassen durften.

Aber das Wesen geht noch viel weiter. Der baürische Mustermensch, wie man ihn hier heranbilden will, soll nämlich von allem Irdischem abgewendet, aller Lebensfreude entwöhnt und gelehrt werden, ganz und ausschließlich im Gebet und in der Erbauung seine Erholung zu suchen. Der „lustige Tirolersbue“ fängt an eine Fabel zu werden. Man predigt im ganzen Lande gegen das Sündhafte weltlicher Freuden, deren vorübergehender Reiz mit langen Jahren im Fegfeuer, mit höllischen Flammen und unter den Martern der Teufel abgebüßt werden müsse. So geht man denn feindlich auf alles los, was dem trübseligen Einerlei des Alltagslebens noch einigen Schmuck verleihen kann. Man verbietet der Jugend des Landes, sich an der süßen Wehmuth der Zither zu erfreuen, man sagt dem Bauern, seine Lieder, selbst die unschuldigsten, seyen dem Seelenheile gefährlich, man hat fast überall im Lande den Tanz verboten. Wenn der redliche Weizenegger sich noch im Alter an die ehemali­gen Tänze der vorarlbergischen Jugend mit Freuden erinnerte, so prahlt jetzt mancher Pfarrer in Tirol, daß man in seinem Sprengel außer der Kirche das ganze Jahr hindurch keine Geige höre. Selbst bei den Hochzeiten hat eine lautlose Völlerei die heitre

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Ludwig Steub: Drei Sommer in Tirol. München 1846, Seite 652. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Drei_Sommer_in_Tirol_(Steub)_660.jpg&oldid=- (Version vom 9.12.2016)