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gefragt habe, irgend einen berühmten Veredler der Hereford’schen Rindvieh-Rasse, ob dieselbe nicht von der lang-hörnigen Rasse abstamme, so wird er spöttisch lächeln. Ich habe nie einen Tauben-, Hühner-, Enten- oder Kaninchen-Liebhaber gefunden, der nicht vollkommen überzeugt gewesen wäre, dass jede Haupt-Rasse von einer andern Stamm-Art herkomme. Van Mons zeigt in seinem Werke über die Äpfel und Birnen, wie wenig er zu glauben geneigt seye, dass die verschiedenen Sorten, wie z. B. der Ribston-pippin, der Codlin-Apfel u. a., je von Saamen des nämlichen Baumes entsprungen seyen. Und so könnte ich unzählige andere Beispiele anführen. Diess lässt sich, wie ich glaube, einfach erklären. In Folge lang-jähriger Studien haben diese Leute einen tiefen Eindruck von den Unterschieden zwischen den verschiedenen Rassen in sich aufgenommen; und obgleich sie wohl wissen, dass jede Rasse etwas variire, da sie eben durch die Züchtung solcher geringen Abänderungen ihre Preise gewinnen, so gehen sie doch nicht von allgemeineren Vernunftschlüssen aus und rechnen nicht den ganzen Betrag zusammen, der sich durch Häufung kleiner Abänderungen während vieler aufeinander-folgender Generationen ergeben muss. Werden nicht jene Naturforscher, welche, obschon viel weniger als diese Züchter mit den Erblichkeits-Gesetzen bekannt und nicht besser als sie über die Zwischenglieder in der langen Reihe der Abkommenschaft unterrichtet, doch annehmen, dass viele von unseren gehegten Rassen von gleichen Altern abstammen, — werden sie nicht eine Lektion über Behutsamkeit zu gewärtigen haben, wenn sie über den Gedanken lachen, dass eine Art im Naturzustand in gerader Linie von einer andern Art abstammen könne?

     Züchtung .) Wir wollen jetzt kürzlich die Wege betrachten, auf welchen die gehegten Rassen jede von einer oder von mehren einander nahe verwandten Arten erzeugt worden sind. Ein kleiner Theil der Wirkung mag dabei vielleicht dem unmittelbaren Einflüsse äussrer Lebensbedingungen und ein kleiner der Gewöhnung zuzuschreiben seyn; es wäre aber thöricht, solchen Kräften die Verschiedenheiten zwischen einem Karrengaul und einem Rasse-Pferd, zwischen einem Windspiele und einem

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Charles Darwin: Entstehung der Arten. Stuttgart 1860, Seite xxx. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Entstehung_der_Arten_1860_(Darwin)_035.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)