Seite:De Entstehung der Arten 1860 (Darwin) 071.jpg

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sie jede zu ihrer Ansiedelung geeignete Gegend sehr rasch zu bevölkern im Stande seyen, und dass das Streben zur geometrischen Vermehrung zu irgend einer Zeit ihres Lebens beschränkt werden muss. Unsre genaue Bekanntschaft mit den grösseren Hausthieren könnte zwar unsre Meinung in dieser Beziehung irre leiten, da wir keine grosse Störung unter ihnen eintreten sehen; aber wir vergessen, dass Tausende jährlich zu unsrer Nahrung geschlachtet werden, und dass im Natur-Zustande wohl eben so viele irgendwie beseitigt werden würden.

     Der einzige Unterschied zwischen den Organismen, welche jährlich Tausende von Eiern oder Saamen hervorbringen, und jenen welche deren nur sehr wenige liefern, besteht darin, dass diese unter günstigen Verhältnissen ein paar Jahre länger als jene zur Bevölkerung eines Bezirkes nöthig haben, seye derselbe auch noch so gross. Der Condor legt zwei Eier und der Strauss deren zwanzig, und doch dürfte in einer und derselben Gegend der Condor leicht der häufigere von beiden werden. Der Eis-Sturmvogel (Procellaria glacialis) legt nur ein Ei, und doch glaubt man er seye der zahlreichste Vogel in der Welt. Die eine Fliege legt hundert Eier und die andre wie z. B. Hippobosca deren nur eines; Diess bedingt aber nicht die Menge der Individuen, die in einem Bezirk ihren Unterhalt finden können. Eine grosse Anzahl von Eiern ist von einiger Wichtigkeit für eine Art, deren Futter-Vorräthe raschen Schwankungen unterworfen sind; denn diese muss ihre Vermehrung in kurzer Frist bewirken. Aber wesentliche Wichtigkeit erlangt eine grosse Zahl von Eiern oder Samen der Grösse der Zerstörung gegenüber, welche zu irgend einer Lebens-Zeit erfolgt, und diese Zeit des Lebens ist in der grossen Mehrheit der Fälle eine sehr frühe. Kann ein Thier in irgend einer Weise seine eignen Eier und Junge schützen, so wird es deren eine geringere Anzahl erzeugen und diese ganze durchschnittliche Anzahl aufbringen; werden aber viele Eier oder Junge zerstört, so müssen deren viele erzeugt werden, wenn die Art nicht untergehen soll. Wird eine Baum-Art durchschnittlich tausend Jahre alt, so würde es zur Erhaltung ihrer vollen Anzahl genügen, wenn sie in tausend Jahren nur einen

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Charles Darwin: Entstehung der Arten. Stuttgart 1860, Seite 71. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Entstehung_der_Arten_1860_(Darwin)_071.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)