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Saamen hervorbrächte, vorausgesetzt dass dieser eine nie zerstört würde und auf einen sicheren für die Keimung geeigneten Platz gelangen könnte. So hängt in allen Fallen die mittle Anzahl von Individuen einer Pflanzen- oder Thier-Art nur indirekt von der Zahl der Saamen oder Eier ab, die sie liefert.

     Bei Betrachtung der Natur ist es nöthig, diese Ergebnisse immer im Sinne zu behalten und nie zu vergessen, dass man von jedem einzelnen Organismus unsrer Umgebung sagen kann, er strebe nach der äussersten Vermehrung seiner Anzahl, dass aber jeder in irgend einem Zeit-Abschnitte seines Lebens in einem Kampfe mit feindlichen Bedingungen begriffen seye, und dass grosse Zerstörung unvermeidlich über Jung oder Alt ergehe in jeder Generation oder in wiederkehrenden Perioden. Wird irgend ein Hinderniss beseitigt oder die Zerstörung noch so wenig gemindert, so wird in der Regel augenblicklich die Zahl der Individuen stärker anwachsen.

     Was für Hindernisse es sind, welche das natürliche Streben jeder Art nach Vermehrung ihrer Anzahl beschränken, ist meistens unklar. Betrachtet man die am kräftigsten gedeihenden Arten, so wird man finden dass, je grösser ihre Zahl wird, desto mehr ihr Streben nach weitrer Vermehrung zunimmt. Wir wissen nicht einmal in einem einzelnen Falle genau, welches die Hindernisse der Vermehrung sind. Diess wird jedoch niemanden in Verwunderung setzen, der sich erinnert, wie unwissend wir in dieser Beziehung bei dem Menschen selbst sind, welcher doch ohne Vergleich besser bekannt ist als irgend eine andre Thier-Art. Doch ist dieser Gegenstand von mehren Schriftstellern vortrefflich erörtert worden; ich werde in meinem späteren Werke über mehre der Hindernisse mit einiger Ausführlichkeit handeln und insbesondre auf die Raubthiere Südamerikas etwas näher eingehen. Hier mögen nur einige wenige Bemerkungen Raum finden, nur um dem Leser einige Hauptpunkte ins Gedächtniss zu rufen. Eier und ganz junge Thiere scheinen am meisten zu leiden, doch ist Diess nicht ganz ohne Ausnahme. Den Pflanzen wird zwar eine gewaltige Menge von Saamen zerstört; aber nach einigen Beobachtungen scheint es mir, als litten

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Charles Darwin: Entstehung der Arten. Stuttgart 1860, Seite 72. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Entstehung_der_Arten_1860_(Darwin)_072.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)