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Verbreitungs-Bezirke zusammenstossen, sich vermischen und kreutzen; doch werden wir auf die Frage von der Kreutzung später zurückkommen. Hier will ich noch beifügen, dass nach Pierce im Catskill-Gebirge in den Vereinten Staaten zwei Varietäten des Wolfes hausen, eine leichtere von Windspiel-Form, welche Hirsche verfolgt, und eine andre schwerfälligere und mit kurzen Beinen, welche häufiger die Schaaf-Heerden angreift.

     Nehmen wir nun einen zusammengesetzteren Fall an. Gewisse Pflanzen scheiden eine süsse Flüssigkeit aus, wie es scheint, um irgend etwas Nachtheiliges aus ihrem Safte zu entfernen. Diess wird bei manchen Schmetterlings-blüthigen Gewächsen durch Drüsen am Grunde der Stipulä und beim gemeinen Lorbeerbaum auf dem Rücken seiner Blätter bewirkt. Diese Flüssigkeit, wenn auch nur in geringer Menge zu finden, wird von Insekten begierig aufgesucht. Nehmen wir nun an, es werde ein wenig solchen süssen Saftes oder Nektars an der inneren Basis der Kronenblätter einer Blume ausgesondert. In diesem Falle werden die Insekten, welche den Nektar aufsuchen, mit Pollen bestäubt werden und denselben gewiss oft von einer Blume auf das Stigma der andern übertragen. Die Blumen zweier verschiedener Individuen einer Art werden dadurch gekreutzt, und die Kreutzung liefert (wie nachher ausführlicher gezeigt werden soll) vorzugsweise kräftige Sämlinge, welche mithin die beste Aussicht haben auszudauern und sich fortzupflanzen. Einige dieser Sämlinge können wohl das Nektar-Absonderungs-Vermögen erben, und diejenigen Nektar-absondernden Blüthen, welche die stärksten Drüsen besitzen und den meisten Nektar liefern, werden am öftesten von Insekten besucht und am öftesten mit andern gekreutzt werden und so mit der Länge der Zeit allmählich die Oberhand gewinnen. Ebenso werden diejenigen Blüthen, deren Staubfäden und Staubwege so gestellt sind, dass sie je nach Grösse und sonstigen Eigenthümlichkeiten der sie besuchenden Insekten einigermaassen die Übertragung ihres Samenstaubs von Blüthe zu Blüthe erleichtern, gleicherweise begünstigt und zur Nachzucht geeigneter seyn. Nehmen wir den Fall an, die zu den Blumen kommenden Insekten wollten Pollen statt

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Charles Darwin: Entstehung der Arten. Stuttgart 1860, Seite 97. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Entstehung_der_Arten_1860_(Darwin)_097.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)