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ihrer Anwendung auf die Aushöhlung riesiger Thäler oder auf die Bildung der längsten binnenländischen Klippen-Linien selten mehr als eine unbedeutende und lächerliche Ursache bezeichnen. Die Natürliche Züchtung kann nur durch Häufung unendlich kleiner vererbter Modifikationen wirken, deren jede für Erhaltung des Wesens, dem sie angehört, günstig ist; und wie die neuere Geologie solche Ansichten, wie die Aushöhlung grosser Thäler durch eine einzige Diluvial-Woge meistens verbannt hat, so wird auch die Natürliche Züchtung, wenn sie ein wahres Prinzip ist, den Glauben an eine fortgesetzte Schöpfung neuer Organismen oder an eine grosse und plötzliche Modifikation ihrer Organisation verbannen.

     Über die Kreutzung der Individuen.) Ich muss hier mit einem kleinen Absprung beginnen. Es liegt vor Augen, dass bei Pflanzen und Thieren getrennten Geschlechtes jedesmal zwei Individuen sich vereinigen müssen, um eine Geburt zu Stande zu bringen. Bei Hermaphroditen aber ist Diess keineswegs klar. Demungeachtet bin ich stark geneigt zu glauben, dass bei allen Hermaphroditen zwei Individuen gewöhnlich oder ausnahmsweise zu jeder einzelnen Fortpflanzung ihrer Art zusammenwirken (die sonderbaren und noch nicht recht begriffenen Fälle von Parthenogenesis ausgenommen). Diese Ansicht hat zuerst Andreas Knight aufgestellt. Wir werden jetzt ihre Wichtigkeit erkennen. Zwar kann ich diese Frage nur in äusserster Kürze abhandeln; jedoch habe ich die Materialien für eine ausführlichere Erörterung vorbereitet. Alle Wirbelthiere, alle Insekten und noch einige andre grosse Thier-Gruppen paaren sich für jede Geburt. Neuere Untersuchungen haben die Anzahl der früher angenommenen Hermaphroditen sehr vermindert, und von den wirklichen Hermaphroditen paaren sich viele, d. h. zwei Individuen vereinigen sich zur Reproduktion; Diess ist alles, was uns hier angeht. Doch gibt es noch viele andre zwitterliche Thiere, welche gewiss sich gewöhnlich nicht paaren. Auch bei weitem die grösste Anzahl der Pflanzen sind Hermaphroditen. Man kann nun fragen, was ist in diesen Fällen für ein Grund zur Annahme vorhanden, dass jedesmal zwei Individuen zur

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Charles Darwin: Entstehung der Arten. Stuttgart 1860, Seite 101. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Entstehung_der_Arten_1860_(Darwin)_101.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)