Seite:De Entstehung der Arten 1860 (Darwin) 107.jpg

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     Nach diesen mancherlei Betrachtungen und den vielen einzelnen Fällen, die ich gesammelt habe, jedoch hier nicht mittheilen kann, bin ich sehr zur Vermuthung geneigt, dass im Pflanzen- wie im Thier-Reiche die von Zeit zu Zeit erfolgende Kreutzung mit einem fremden Einzelwesen ein Natur-Gesetz ist. Ich weiss wohl, dass es in dieser Beziehung viele schwierige Fälle gibt, unter welchen einige sind, worüber[WS 1] ich mit Forschungen beschäftigt bin. Als Endergebniss können wir folgern, dass in vielen organischen Wesen die Kreutzung zweier Individuen eine offenbare Nothwendigkeit für jede Fortpflanzung ist; bei vielen andern genügt es, wenn sie von Zeit zu Zeit wiederkehrt; dagegen vermuthe ich, dass Selbstbefruchtung allein nirgends für immer ausreichend seye.

     Für natürliche Züchtung günstige Verhältnisse.) Das ist ein sehr verwickelter Gegenstand. Eine grosse Summe von erblicher Veränderlichkeit ist dafür günstig; aber ich glaube, dass schon individuelle Verschiedenheiten genügen. Eine grosse Anzahl von Individuen bietet mehr Aussicht auch auf das Hervortreten nutzbarer Abänderungen in einem gegebenen Zeitraum, selbst bei geringerem Betrag schon vorhandener Veränderlichkeit derselben, und ist eine äusserst wichtige Bedingung des Erfolges. Obwohl die Natur lange Zeiträume auf die Züchtung verwendet, so braucht sie doch keine von unendlicher Länge; denn da alle organischen Wesen sozusagen streben eine Stelle im Haushalte der Natur einzunehmen, so muss eine Art, welche nicht gleichen Schrittes mit ihren Mitbewerbern verändert und verbessert wird, bald erlöschen.

     Bei planmässiger Züchtung wählt der Züchter stets bestimmte Objekte, und freie Kreutzung würde sein Werk gänzlich hemmen. Haben aber viele Menschen, ohne die Absicht ihre Rasse zu veredeln, eine ungefähr gleiche Ansicht über Vollkommenheit, und sind alle bestrebt, nur die besten und vollkommensten Thiere zur Nachzucht zu verwenden, so wird, wenn auch langsam, aus dieser unbewussten Züchtung gewiss schon viele Umänderung und Veredlung hervorgehen, wenn auch viele Kreutzung mit schlechteren Thieren zwischendurchläuft. So ist es auch in der


  1. Im Original worüher
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Charles Darwin: Entstehung der Arten. Stuttgart 1860, Seite 107. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Entstehung_der_Arten_1860_(Darwin)_107.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)