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gleichen Bedingungen zum Vorschein kommen[1]. Diese Thatsachen zeigen, wie mittelbar die Lebens-Bedingungen wirken. So sind jedem Naturforscher auch zahllose Beispiele von sich ächt erhaltenden Arten ohne alle Varietäten bekannt, obwohl dieselben in den entgegengesetztesten Klimaten leben. Derartige Betrachtungen veranlassen mich, nur ein sehr geringes Gewicht auf den direkten Einfluss der Lebens-Bedingungen zu legen. Indirekt scheinen sie, wie schon gesagt worden, einen wichtigen Antheil an der Störung des Reproduktiv-Systemes zu nehmen und hiedurch Veränderlichkeit herbeizuführen, und Natürliche Züchtung spart dann alle nützliche wenn auch geringe Abänderung zusammen, bis solche vollständig entwickelt und für uns wahrnehmbar wird.

     Wirkungen von Gebrauch und Nichtgebrauch.) Die im ersten Kapitel angeführten Thatsachen lassen wenig Zweifel bei unseren Hausthieren übrig, dass Gebrauch gewisse Theile stärke und ausdehne und Nichtgebrauch sie schwäche, und dass solche Abänderungen vererblich sind. In der freien Natur hat man keinen Maassstab zur Vergleichung der Wirkungen lang forgesetzten Gebrauches oder Nichtgebrauches, weil wir die älterlichen Formen nicht kennen; doch tragen manche Thiere Bildungen an sich, die sich als Folge des Nichtgebrauchs erklären lassen. Professor R. Owen hat bemerkt, dass es eine grosse Anomalie in der Natur ist, dass ein Vogel nicht fliegen könne, und doch sind mehre in dieser Lage. Die Südamerikanische Dickkopf-Ente kann nur über der Oberfläche des Wassers hinflattern und hat Flügel von fast der nämlichen Beschaffenheit wie die Aylesburger Hausenten-Rasse. Da die grossen Boden-Vögel selten zu andren Zwecken fliegen, als um einer Gefahr zu entgehen, so glaube ich, dass die fast ungeflügelte Beschaffenheit verschiedener Vögel-Arten, welche einige Inseln des Grossen Ozeans jetzt bewohnen oder einst bewohnt haben, wo sie keine Verfolgung von Raubthieren zu gewärtigen haben, vom Nichtgebrauche ihrer Flügel herrührt. Der Strauss bewohnt zwar Kontinente und ist von Gefahren bedroht, denen er nicht durch Flug

  1. So lange man die wahre Ursache dieser Entstehung nicht kennt, hat Diess nichts Befremdendes.     D. Übrs.
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Charles Darwin: Entstehung der Arten. Stuttgart 1860, Seite 145. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Entstehung_der_Arten_1860_(Darwin)_145.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)