Seite:De Entstehung der Arten 1860 (Darwin) 152.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.


die verschiedensten Klimate auszuhalten und sich darin (ein viel gewichtigeres Zeugniss) fortzupflanzen, zur Schlussfolgerung dienen, dass auch eine verhältnissmässig grosse Anzahl andrer Thiere, die sich jetzt noch im Natur-Zustande befinden, leicht dazu gebracht werden könnte, sehr verschiedene Klimate zu ertragen. Wir dürfen jedoch die vorangehende Folgerung nicht zu weit treiben, weil einige unsrer Hausthiere von verschiedenen wilden Stämmen herrühren können, wie z. B. in unsren Haushund-Rassen das Blut eines tropischen und eines arktischen Wolfes oder wilden Hundes gemischt seyn könnte. Ratten und Mäuse dürfen nicht als Hausthiere angesehen werden; und doch sind sie vom Menschen in viele Theile der Welt übergeführt worden und besitzen jetzt eine weitre Verbreitung als irgend ein andres Nagethier, indem sie frei unter dem kalten Himmel der Faröer im Norden und der Falklands-Inseln im Süden, wie auf vielen Inseln der Tropen-Zone leben. Daher ich geneigt bin, die Anpassung an ein besondres Klima als eine leicht auf eine angeborene weite Biegsamkeit der Konstitution, welche den meisten Thieren eigen ist, gepropfte Eigenschaft zu betrachten. Dieser Ansicht zu Folge hat man die Fähigkeit des Menschen und seiner meisten Hausthiere die verschiedensten Klimate zu ertragen und solche Thatsachen, wie das Vorkommen einstiger Elephanten- und Rhinozeros-Arten in einem Eis-Klima, während deren jetzt lebenden Arten alle eine tropische oder subtropische Heimath haben, nicht als Gesetzwidrigkeiten zu betrachten, sondern lediglich als Beispiele einer sehr gewöhnlichen Biegsamkeit der Konstitution anzusehen, welche nur unter besondern Umständen mehr zur Geltung gelangt ist.

     Wie viel von der Akklimatisirung der Arten an ein besondres Klima bloss Gewohnheits-Sache seye, wie viel von der Natürlichen Züchtung von Varietäten mit verschiedenen Körper-Verfassungen abhänge, oder wie weit beide Ursachen zusammenwirken, ist eine sehr schwierige Frage. Dass Gewohnheit und Übung einigen Einfluss habe, will ich sowohl nach der Analogie als nach den ununterbrochenen Warnungen wohl glauben, welche in unsern landwirthschaftlichen Werken und selbst in alten Chinesischen Encyclopädien

Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Entstehung der Arten. Stuttgart 1860, Seite 152. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Entstehung_der_Arten_1860_(Darwin)_152.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)