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sind gewiss viel weniger fest und unveränderlich als die natürlichen; denn sie sind durch viel minder strenge Züchtung ausgeprägt und eine bei weitem kürzere Zeit hindurch unter minder steten Lebens-Bedingungen vererbt worden.

     Wie streng diese »zahmen Instinkte«, Gewohnheiten und Neigungen vererbt werden und wie wundersam sie sich zuweilen mischen, zeigt sich ganz wohl, wenn verschiedene Hunde-Rassen miteinander gekreutzt werden. So ist eine Kreutzung mit Bullbeissern auf viele Generationen hinaus auf den Muth und die Beharrlichkeit des Windhundes von Einfluss gewesen; und eine Kreutzung mit dem Windhunde hat auf eine ganze Familie von Schäferhunden die Neigung übertragen Hasen zu verfolgen. Diese zahmen Instinkte, auf solche Art durch Kreutzung erprobt, gleichen natürlichen Instinkten, welche sich in ähnlicher Weise sonderbar mit einander verbinden, so dass sich auf lange Zeit hinaus Spuren des Instinktes beider Ältern erhalten. So beschreibt Le Roy einen Hund, dessen Grossvater ein Wolf war; dieser Hund verrieth die Spuren seiner wilden Abstammung nur auf eine Weise, indem er nämlich, wenn er von seinem Herrn gerufen wurde, nie in gerader Richtung auf ihn zukam.

     Zahme Instinkte werden zuweilen bezeichnet als Handlungen, welche bloss durch eine lang-fortgesetzte und erzwungene Gewohnheit erblich werden; ich glaube aber, dass Diess nicht richtig ist. Gewiss hat niemals jemand daran gedacht oder versucht, der Purzeltaube das Purzeln zu lehren, was meines Wissens auch schon junge Tauben thun, welche nie andere purzeln gesehen haben. Man kann sich denken, dass einmal eine einzelne Taube Neigung zu dieser sonderbaren Bewegungs-Weise gezeigt habe und dass dann in Folge sorgfältiger und lang-fortgesetzter Züchtung aus ihr die Purzler allmählich das geworden, was sie jetzt sind; und wie ich von Herrn Brent vernehme, gibt es bei Glasyow Haus-Purzler, welche nicht 18 Zolle weit fliegen können, ohne sich einmal kopfüber zu bewegen. Eben so ist es sehr zu bezweiflen, ob jemals irgend jemand daran gedacht habe, einen Hund zum Vorstehen abzurichten, hätte nicht etwa ein Individuum von selbst eine Neigung verrathen

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Charles Darwin: Entstehung der Arten. Stuttgart 1860, Seite 224. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Entstehung_der_Arten_1860_(Darwin)_224.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)