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der Lebens-Bedingungen allen organischen Wesen vorteilhaft sind, und dass anderseits schwache Kreutzungen, nämlich zwischen verschiedenen Stämmen und geringen Varietäten einer Art, der Nachkommenschaft Kraft und Stärke verleihen. Dagegen haben wir aber auch gesehen, dass stärkere Wechsel der Verhältnisse und zumal solche von gewisser Art die Organismen oft in gewissem Grade unfruchtbar machen können, wie auch stärkere Kreutzungen, nämlich zwischen sehr verschiedenen oder in gewissen Beziehungen von einander abweichenden Männchen und Weibchen Bastarde hervorbringen, die gewöhnlich einigermaassen unfruchtbar sind. Ich vermag mich nicht zu überreden, dass dieser Parallelismus auf einem blossen Zufalle oder einer Täuschung beruhen solle. Beide Reihen von Thatsachen scheinen durch ein gemeinsames aber unbekanntes Band mit einander verkettet, welches mit dem Lebens-Prinzipe wesentlich zusammenhängt.

     Fruchtbarkeit gekreutzter Varietäten und ihrer Blendlinge.) Man mag uns als einen sehr kräftigen Beweis-Grund entgegenhalten, es müsse irgend ein wesentlicher Unterschied zwischen Arten und Varietäten seyn und sich irgend ein Irrthum durch alle vorangehenden Bemerkungen hindurch ziehen, da ja Varietäten, wenn sie in ihrer äusseren Erscheinung auch noch so sehr auseinandergehen, sich doch leicht kreutzen und vollkommene fruchtbare Nachkommen liefern. Ich gebe vollkommen zu, dass Diess meistens unabänderlich so ist, dass dieser Fall eine grosse Schwierigkeit darbiete und hier vermuthlich irgend etwas unerklärt bleibe. Wenn wir aber die in der Natur vorkommenden Varietäten betrachten, so werden wir unmittelbar in hoffnungslose Schwierigkeiten eingehüllt; denn sobald zwei bisher als Varietäten angesehene Formen sich einigermaassen steril mit einander zeigen, so werden sie von den meisten Naturforschern zu Arten erhoben. So sind z. B. die rothe und die blaue Anagallis, die hell- und die dunkel-gelbe Schlüsselblume, welche die meisten unsrer besten Botaniker für blosse Varietäten halten, nach Gärtner bei der Kreutzung nicht vollkommen fruchtbar und werden desshalb von ihm als unzweifelhafte

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Charles Darwin: Entstehung der Arten. Stuttgart 1860, Seite 277. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Entstehung_der_Arten_1860_(Darwin)_277.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)