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oft ein sehr langsamer Prozess seyn, wenn einzelne Arten in geschützten oder abgeschlossenen Standorten kümmernd noch eine Zeit lang fortleben können. Ist eine Gruppe einmal untergegangen, so kann sie nie wieder erscheinen, weil ein Glied aus der Generationen-Reihe zerbrochen ist.

     So ist es begreiflich, dass die Ausbreitung herrschender Lebenformen, welche eben am öftesten variiren, mit der Länge der Zeit die Erde mit nahe verwandten jedoch modifizirten Formen bevölkern, denen es sodann gewöhnlich gelingt die Plätze jener Arten-Gruppen einzunehmen, welche ihnen im Kampfe um’s[WS 1] Daseyn unterliegen. Daher wird es denn nach langen Zwischenzeiten aussehen, als hätten die Bewohner der Erd-Oberfläche überall gleich-zeitig gewechselt.

     So ist es ferner begreiflich, woher es kommt, dass die alten und neuen Lebenformen ein grosses System mit einander bilden, da sie alle durch Zeugung mit einander verbunden sind. Es ist aus der fortgesetzten Neigung zur Divergenz des Charakters begreiflich, warum die fossilen Formen um so mehr von den jetzt lebenden abweichen, je älter sie sind; warum alte und erloschene Formen oft Lücken zwischen lebenden auszufüllen geeignet sind und zuweilen zwei Gruppen mit einander vereinigen, welche zuvor getrennt aufgestellt worden, obwohl sie solche in der Regel nur etwas näher einander rücken. Je älter eine Form ist, um so öfter scheint sie Charaktere zu entwickeln, welche zwischen jetzt getrennten Gruppen mehr und weniger das Mittel halten; denn je älter eine Form ist, desto naher verwandt und mithin ähnlicher wird sie dem gemeinsamen Stamm-Vater solcher Gruppen seyn, welche seither weit auseinander gegangen sind. Erloschene Formen halten selten genau das Mittel zwischen lebenden, sondern stehen in deren Mitte nur in Folge einer weitläufigen Verkettung durch viele erloschene und abweichende Formen. Wir ersehen deutlich, warum die organischen Reste dicht aufeinander-folgender Formationen einander ähnlicher als die weit von einander entfernter seyn müssen; denn jene Formen stehen in näherer Bluts-Verwandtschaft als diese mit einander. Wir vermögen endlich einzusehen, warum die organischen


  1. Im Original ums
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Charles Darwin: Entstehung der Arten. Stuttgart 1860, Seite 351. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Entstehung_der_Arten_1860_(Darwin)_351.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)