Seite:De Entstehung der Arten 1860 (Darwin) 388.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.


die Sache gerade entgegengesetzt. Nicht allein haben viele Süsswasser-Bewohner aus ganz verschiedenen Klassen selbst eine ungeheure Verbreitung, sondern einander nahe verwandte Formen herrschen auch in auffallender Weise über die ganze Erd-Oberfläche vor. Ich besinne mich noch wohl der Überraschung, die ich fühlte, als ich zum ersten Male in Brasilien Süsswasser-Erzeugnisse sammelte und die Süsswasser-Schaaler und -Kerbthiere mitten in einer ganz verschiedenen Bevölkerung des Trockenlandes den Britischen so ähnlich fand.

     Doch kann dieses Vermögen weiter Verbreitung bei den Süsswasser-Bewohnern, wie unerwartet es auch seyn mag, in den meisten Fällen, wie ich glaube, daraus erklärt werden, dass sie in einer für sie sehr nützlichen Weise von Sumpf zu Sumpf und von Strom zu Strom zu wandern fähig sind; woraus sich denn die Neigung zu weiter Verbreitung als eine nothwendige Folge ergeben dürfte. Doch können wir hier nur wenige Fälle in Betracht ziehen. Was die Fische betrifft, so glaube ich, dass eine und dieselbe Spezies niemals in den Süsswassern weit von einander entfernter Kontinente vorkommt; wohl aber verbreitet sie sich in einem nämlichen Festlande oft weit und in anscheinend launischer Weise, so dass zwei Fluss-Systeme einen Theil ihrer Fische miteinander gemein haben, während andre Arten jedem derselben eigenthümlich sind. Einige wenige Thatsachen scheinen ihre gelegenheitliche Versetzung aus einem Fluss in den andern zu erläutern, wie deren in Ostindien schon öfters von Wirbelwinden bewirkte Entführung durch die Luft, wonach sie als Fisch-Regen wieder zur Erde gelangten, und wie die Zählebigkeit ihrer aus dem Wasser entnommenen Eier. Doch bin ich geneigt, die Verbreitung der Süsswasser-Fische vorzugsweise geringen Höhenwechseln des Landes während der gegenwärtigen Periode zuzuschreiben, wodurch manche Flüsse veranlasst worden sind, sich in andrer Weise miteinander zu verbinden. Auch lassen sich Beispiele anführen, dass Diess ohne Veränderungen in den wechselseitigen Höhen durch Fluthen bewirkt worden ist. Der Löss des Rheines bietet uns Belege für ansehnliche Veränderungen der Boden-Höhe in einer ganz neuen

Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Entstehung der Arten. Stuttgart 1860, Seite 388. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Entstehung_der_Arten_1860_(Darwin)_388.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)