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charakterisirt und darauf hingewiesen, dass sie neben den unvollkommenen auch immer höher vervollkommnete Organismen vervorgebracht habe, wovon die neu auftretenden Formen immer in festen verwandtschaftlichen Beziehungen zu den untergegangenen und zu den jedesmaligen äusseren Lebens-Bedingungen gestanden, was auf ein nahes Verhältniss der schaffenden Kraft zu der erhaltenden und zu diesen äusseren Verhältnissen hinweise.

     Darwin’s Theorie lässt sich nun in folgender Weise zusammenfassen. Der Schöpfer hat einigen wenigen erschaffenen Pflanzen- und Thier-Formen, vielleicht auch nur einer einzigen, Leben eingeblasen, in Folge dessen diese Organismen im Stande waren zu wachsen und sich fortzupflanzen, aber auch bei jeder Fortpflanzung in verschiedener Richtung um ein Minimum zu variiren (»Fortpflanzung mit Abänderung«). Die Ursachen solchen Abändern’s sind zumal in Affektionen der Generations-Organe und nur geringentheils in unmittelbaren Einflüssen der äussern Lebens-Bedingungen zu suchen. Solche kleine Abweichungen vom älterlichen Typus können schädliche, gleichgültige und nützliche seyn. Waren sie es in noch so geringem Grade, so hatten die Individuen mit den ersten am wenigsten und die mit den letzten am meisten Aussicht die andern zu überleben und sich fortzupflanzen. Die überlebenden Individuen werden die ihnen nützlich gewordene Abweichung oft wieder auf ihre Nachkommen »vererbt« haben, und wenn diese nur nach 10 Generationen wieder einmal in gleicher Richtung und Stärke variirten, so war das Maass der Abänderung und somit ihre Aussicht die anderen Individuen zu überleben auf’s Neue vermehrt. Die Natur begünstigt also vorzugsweise die Fortpflanzung der mit jener nützlichen Abweichung versehenen Individuen auf Kosten der andern und häuft dieselbe bei späteren Nachkommen zu immer höherem Betrage an, etwa wie ein Viehzüchter bei Veredlung seiner Rassen verfährt (»Natürliche Züchtung«), um deren ihm selbst willkommene Eigenschaften zu steigern. So kann nach tausend, zehntausend oder hunderttausend Generationen in einzelnen Nachkommen der ersten Urform jene Abweichung eine 100-, 1000-, 10,000-fach gehäufte, es kann aus der anfänglich ganz unbemerkbaren Abänderung eine wirkliche

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Charles Darwin: Entstehung der Arten. Stuttgart 1860, Seite 498. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Entstehung_der_Arten_1860_(Darwin)_498.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)