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betroffen, ihre Bewohner in andere Gegenden gedrängt und ihnen die Wege bald hier und bald dort geebnet haben, so dass manche Bewohner gemässigter Zonen sogar den Äquator überschreiten und ihre Art in die andre Hemisphäre verpflanzen konnten.

     Die neue Hypothese gibt Thatsachen und Urtheile, um zu zeigen, wie sich die Erscheinungen im Allgemeinen verhalten haben können oder noch verhalten könnten, und es gelingt ihr Das oft in einem überraschenden Grade. Es sind ganze in langen Kapiteln abgehandelte Probleme, die sich mit deren Hülfe dann so einfach lösen, dass man fast keinen Augenblick darüber in Zweifel geräth, ob sich die Sache nicht auch anders verhalten könne, und man sich selbst aufrütteln muss, um sich zu erinnern, es handle sich vorerst nur um eine in ihren Grundbedingungen der Rechtfertigung noch durchaus bedürftigen Hypothese. Und in der That, wenn man dann über den Rand des Buches hinaus auf irgend ein andres Werk blickt, welches die Erscheinungen so schildert, wie sie in der Natur vorliegen, so fühlt man oft, dass die Anwendbarkeit der Dawin’schen Theorie auf die Wirklichkeit nicht so einfach und nicht so unmittelbar ist, als es geschienen, so lange man sich mit dem Verfasser ganz in seine Ansichten versenkt hatte, weil (begreiflich) die Verhältnisse überall nicht so einfach oder so geartet sind, wie er sie Beispiels-weise unterstellt. Wie sehr man sich daher auch von des Verfs. Theorie angezogen fühlen mag, weil sie, ihrem Grundgedanken nach einmal zugestanden, eine Menge einzelner unerklärter Erscheinungen auf die überraschendste Weise verkettet und als nothwendige erklärt, so muss man wohl erwägen, in wie ferne sie wirklich annehmbar seye. In dieser Beziehung wollen wir hier zum Schlusse noch einige erläuternde Betrachtungen mit unseren wesentlichsten Einreden dagegen folgen lassen, weil uns Diess angemessener und schicklicher erscheint, als die Übersetzung selbst überall mit Einwürfen zu begleiten. Eine nicht unerhebliche Anzahl noch andrer Gegenreden könnte leicht aus unsren früheren Schriften beigebracht werden, die wir hier übergehen, ohne sie jedoch für entkräftet zu halten.

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Charles Darwin: Entstehung der Arten. Stuttgart 1860, Seite 501. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Entstehung_der_Arten_1860_(Darwin)_501.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)