Seite:De Flüssige Kristalle Lehmann 09.jpg

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     Auch das kleinste Partikelchen eines Kristalls hat seine Auslöschungsrichtungen (Achsen) und da diese an allen Stellen des Kristalles dieselben sind, muß man annehmen, die Moleküle des Kristalls seien regelmäßig angeordnet, und zwar nicht nur so, daß sie, wie aus der Form zu schließen, ein regelmäßiges Punktsystem (Raumgitter) bilden, sondern vor allem so, daß ihre Achsen parallel laufen.

     Daß die Moleküle in bestimmten Abständen im Gleichgewicht sind, kann man auf die gleichzeitige Wirkung anziehender und abstoßender Zentralkräfte zurückführen, die beide von den Schwerpunkten der Moleküle ausgehen, von welchen aber die abstoßenden mit der Entfernung rascher abnehmen als die anziehenden. Die Erklärung der Parallelrichtung erfordert weiter die Annahme von Richtkräften, d. h. von Kräftepaaren ähnlich wie bei Magneten, insbesondere astatischen Magnetsystemen (Polyedern, deren Ecken

Fig. 3., Fig. 4., Fig. 5.

abwechselnd entgegengesetzt magnetisch sind, wie die Figg. 3 u. 4 andeuten). Der Magnetismus kann erzeugt gedacht werden durch Elektronen, welche positive in den Würfelecken befindliche Kerne umkreisen, wie Fig. 5 verdeutlicht.[1]

     Solange die Kräfte ausreichen, bleibt das Gleichgewicht bei steigender Wärmebewegung (Temperatur) bestehen, man kann sogar unter der Elastizitätsgrenze Verbiegungen vornehmen, welche die Molekularkräfte allerdings rückgängig zu machen suchen (elastische Reaktion); übersteigt aber die Temperatur einen gewissen Punkt (Schmelzpunkt), so verschwindet nach der alten Theorie der Aggregatzustände (wegen der Gleichheit aller Moleküle plötzlich gleichzeitig überall) der Zusammenhang, die Moleküle wimmeln


  1. O. Lehmann, Physik. Zeitschr. 10 (1909), 553; Die neue Welt der flüssigen Kristalle 1911, 347; Prometheus 25 (1913), 4, Fig. 3. Siehe ferner: P. Debye, Sitzungsber. d. Münchener Akad. 1915; M. Born, Verh. d. phys. Ges. 20 (1918), 230; A. Landé, ebenda 21 (1919), 2, 644, 653.