Seite:De Flüssige Kristalle Lehmann 15.jpg

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     Man kann die Umwandlung hindern, indem man das Schiefziehen der Kristalle hindert oder man kann sie rückgängig machen, indem man durch hinreichend große Gegenkraft die Verschiebung rückgängig macht (Chemische Elastizität). Solche Umwandlungen durch Wirkungen von Schubkräften sind vermutlich auch die sogenannte künstliche Zwillingsbildung bei Kalkspat, das Auftreten doppelbrechender Lamellen in Steinsalz und von anisotropen Lamellen in Kupfer bei Deformation, während sie gewöhnlich nur als einfach Umlagerungen der Moleküle ohne Änderung derselben gedeutet werden.[1]

     Ebenso wie bei der Parallelverwachsung verschiedenartiger Kristalle, dem regelmäßigen Fortwachsen von Kalkspat in Natron-Salpeterlösung

Fig. 11., Fig. 12.

beispielsweise, sind in allen diesen Fällen molekulare Richtkräfte zwischen verschiedenartigen Molekülen tätig. Bei der wirklichen Zwillingsbildung sind es dagegen molekulare Richtkräfte zwischen gleichartigen Molekülen in verschiedener Stellung, wie Fig. 11 anzudeuten sucht.

     Die Richtkräfte können auch in der Weise arbeitsleistend wirken, daß bei dem Wachsen der Kristalle fremdartige Moleküle verdrängt werden, insofern eben nur gleichartige (oder isomorphe) mit genügender Kraft gegen die Kristalloberfläche hingezogen werden. Dieses Selbstreinigungsvermögen der Kristalle wird bekanntlich von den Chemikern dazu benutzt, unreine Präparate (durch Umkristallisieren) zu reinigen.

     Sogar größere Partikelchen können durch wachsende Kristalle zurückgedrängt werden; auch kann der Kristall selbst, indem er gegen ein festes Hindernis stößt, durch die wie Exzenter wirkenden


  1. O. Lehmann, Ann. d. Phys. 50 (1916), 569e.