Seite:De Flüssige Kristalle Lehmann 26.jpg

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Färbung farblos-rot dichroitisch, ein Beweis, daß die Farbstoffmoleküle regelmäßig orientiert eingelagert sind. Mit den flüssigen Kristallen des Lecithins vermögen die des Ammoniumoleathydrats anscheinend in allen Verhältnissen Mischkristalle zu bilden.

     Da bei derartiger Einlagerung fremder Moleküle die Wirkungen der Kohäsionskraft und der molekularen Richtkraft nicht ganz dieselben sein werden wie bei den reinen Substanzen, insbesondere wenn sie bei diesen erheblich verschieden sind, ist zu erwarten, daß die Form der Mischkristalle nicht einfach eine Übergangsform sein wird. In der Tat läßt sich z. B. bei Mischungen von Paraazoxyzimtsäureäthylester und (wenig) Paraazoxybenzoesäureäthylester oder von Cholesteryloleat und (wenig) Cholesterylchlorid beobachten, daß die flüssigen Mischkristalle wesentlich größer sind als die der flüssigen Kristalle der reinen Substanzen. Im letzteren Fall erhält man bei reichlicherem Zusatz von Cholesterylchlorid sogar anders beschaffene, mit den schleimigflüssigen stäbchenförmigen Mischkristallen nicht mischbare, tropfbarflüssige, in kugelrunden Tropfen auftretende Mischkristalle, welche mit dem Mischungsverhältnis starke Änderungen der Struktur erfahren[1], ähnlich wie sich auch bei festen Mischkristallen nicht nur Änderungen der Form, sondern auch der Struktur beobachten lassen, insbesondere Verdrehungen der letzteren und Fächer-(Sphärolithen-)Bildung.[2] Auf diese Komplikationen soll erst weiter unten eingegangen werden.

     Bei Mischungen von Ammoniumoleathydrat mit Phrenosin[3] kann man flüssige Mischkristalle erhalten, die am einen Ende nur aus der einen, vom anderen nur aus der anderen bestehen, wie man leicht daran erkennt, daß man beim Abkühlen des flüssig-kristallinisch Phrenosins infolge Erstarrung zu feinen festen Kriställchen eine Streifung quer zur Längsrichtung erhält, welche beim Ammoniumoleathydrat nicht eintritt. Man sollte erwarten, daß in solchen inhomogenen flüssigen Kristallen Strömungen infolge von Oberflächenspannungsdifferenzen eintreten; solche wurden aber nie beobachtet, doch tritt langsam Diffusion ein, indes nur, wenn die molekularen Richtkräfte ähnliche sind. Dies erscheint auch selbstverständlich, da sonst in dem Mischgebiet die Struktur der flüssigen Kristalle unter steigendem Gehalt an fremden Molekülen allmählich in die völlig regellose Molekularanordnung der gewöhnlichen Flüssigkeit über


  1. O. Lehmann, Ann d. Phys. 61 (1920), 501.
  2. O. Lehmann, Molekularphysik 1 (1888), 374. (Vgl. oben S. 14.)
  3. O. Lehmann, Ann. d. Phys. 43, (1914), 123.