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Aus lichter Ferne ziehn des Lenzes Boten
     Auf Rosenwolken durch des Aethers Raum;

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Ihn aber bannt der ew’ge Schlaf der Todten,

     Kein Frühlingssang durchwehet seinen Traum.

Kein Lächeln glüht auf seinen bleichen Wangen,
     Wenn sel’ger Friede alle Welt umfängt,
Wenn sich ein süßes, sehnendes Verlangen

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     In jedes Menschen tiefste Seele senkt.


Der Leib zerstäubt, der Glieder Mark vermodert,
     Doch aus dem Grab schwingt sich der Geist hervor;
Der Himmel blaut, das Morgenroth verlodert,
     Und aus den Nebeln steigt der Tag empor.

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Ihn hält ein andrer Frühling nun umfangen,

     Ein Himmelsfrühling, welcher nie verblüht;
Frei schwebt er über Fürchten und Verlangen,
     Vom Aetherstrahl des ew’gen Lichts durchglüht.

Drum laßt des Schmerzes laute Klage schweigen!

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     Stört nicht den Schläfer in der heil’gen Ruh’!

Fühlt ihr nicht seinen Geist herniedersteigen?
     Haucht euch die Luft nicht traute Worte zu?

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Hertz: Gedichte. Hoffman und Campe, Hamburg 1859, Seite 19. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Gedichte_(Hertz_W)_031.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)