Seite:De Gedichte (Hertz W) 101.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Traum und Wirklichkeit[1].


Es schläft an meine Brust gesunken
     Das holde, heißgeliebte Weib;
Ich schaue stumm und formentrunken
     Den jungen, hüllenlosen Leib.

5
Wie um den keuschen Schnee der Lenden

     Der Locke dunkle Wege quillt!
Wie unter meinen leisen Händen
     Der weiche Marmor athmend schwillt!

Da lockt mich hohe Wunderahnung

10
     In unbekannte Zeit zurück,

Wie eine rührend holde Mahnung
     An längstvergeßnes Liebesglück.


  1. Nach der platonischen Philosophie entspringt die Sehnsucht beim Anblick eines schönen Gegenstandes aus der unwillkürlichen Erinnerung an die ewige Schönheit, mit der wir vor diesem Leben im Reich der Ideen vereinigt waren.
Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Hertz: Gedichte. Hoffman und Campe, Hamburg 1859, Seite 93. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Gedichte_(Hertz_W)_101.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)