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Da nahet sich dem Throne ein bleiches Frauenbild,

Bis zu den vollen Hüften die güldne Locke quillt,
Die Hände hebt sie knieend zum Herrschersitz empor;
Es blickt auf sie mit Staunen der trunknen Zecher Chor.

„Man singt von deiner Milde, o König, allerort,

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Der Feinde Gottesgeißel, der Freunde Schild und Hort!

Hier seh’ ich Alles fröhlich mit stolzen Gaben steh’n:
So werd’ auch ich getröstet von deiner Schwelle geh’n.

Herr Hildeck war mein Vater, Dein treuer Rath und Mann,
Er liegt von Schächerhänden erschlagen tief im Tann.

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Wie sollt’ allein ich wenden dies Leid so riesengroß?

Gieb Schutz mir, gieb mir Rache! Mein Schmerz ist waffenlos.“

Die schönen Augen flehen zum König unverwandt,
Es gleitet ihr beim Neigen vom Nacken das Gewand,
In wonnigweichen Wellen erscheint ihr reiner Leib.

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Der König schaut erglühend das wunderholde Weib.
Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Hertz: Gedichte. Hoffman und Campe, Hamburg 1859, Seite 172. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Gedichte_(Hertz_W)_178.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)