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Auch heut’ kehrt er vom Mahle erhitzt von Wein und Sang
und schleicht auf leisen Sohlen durch den vertrauten Gang;

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Mit warmem Hauch umfängt ihn das stille Kämmerlein

Und schließt in tiefes Dunkel ein süß Geheimniß ein.
  
Solch’ wilde Wonnen hat ihm ihr Leib noch nie entfacht,
Die schlanken Glieder schwellen in ungewohnter Pracht;
Doch kalt sind ihre Lippen, – ihn faßt ein fremder Schmerz, –

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Und durch die harten Brüste fühlt er kein menschlich Herz.


„Wer bist du, stummes Wesen? Von wannen nahtest du?
Sprich, oder schließt den Mund dir des Grabes Siegel zu?“
Da hob sich’s aus den Kissen, – im trüben Mondenlicht
Erkannt’ er mit Entsetzen der Königin Angesicht.

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Hertz: Gedichte. Hoffman und Campe, Hamburg 1859, Seite 232. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Gedichte_(Hertz_W)_238.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)