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Stille war’s im Zelt und draußen.

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Fern nur sang ein junger Wächter

Lieder, glühend weich und sehnend,
Seinem Liebchen in der Heimath,
Und es blies der Wind der Wüste. –
Langsam trat der Held Schafara

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Zu der stillen Bettgenossin,

Zog hinweg die letzte Hülle,
Die des Leibes Wunder deckte,
Und erschrak in sel’gem Staunen.
Tastend glitten seine Blicke

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Ueber die gelösten Glieder,

Und sie wußten nicht, wo ruhen.
„Groß ist Allah, sprach er endlich,
Daß er hat das Weib geschaffen,
Sich zur Ehre, uns zur Wonne!“

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Lange stand er unbeweglich,

Und auf seinem braunen Antlitz
Schmolz des Grimmes eh’rne Falte,
Und der nächt’ge Blitz der Augen
Ward ein träum’risch Morgenleuchten.

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Denn er dachte seiner Liebe,

Glückberauschter Jugendnächte,
Dachte, wie er ebenbürtig
Solcher Schönheit lag zur Seite;
Und in tiefer Brust erwachen

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Ihm die alten Lustgesänge,
Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Hertz: Gedichte. Hoffman und Campe, Hamburg 1859, Seite 252. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Gedichte_(Hertz_W)_258.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)