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Und ich sah seinen vorgebeugten, glattrasierten Kopf, der wie ein Straußenei unterm Kronleuchter glänzte, und sah, wie er mit Eifer deine Mutter davon überzeugte, daß diese Theaterprobe dir nützen würde für deine Theaterkenntnis, die du dir aneignen möchtest.

Und es wurde verabredet, daß du an einem der nächsten Morgen um 11 Uhr in seine Loge kommen solltest, um die Probe zu sehen. Er hob den Zeigefinger und sagte:

„Aber es darf kein Geräusch gemacht werden, denn die Regie ist streng, und es darf eigentlich niemand wissen, daß wir zur Probe kommen. Aber im dunkeln Theaterraum und in der finsteren Loge wird niemand uns finden, wenn wir ganz leise sind.“

Ich sah dich bereits im Geist lautlos in jener dunkeln Loge und fühlte, wie du neben deinem Verführer im Dunkeln kaum zu atmen wagtest aus Lust am Theater, wie jener aber kaum zu atmen wagte aus Lust an dir.

Es waren drei Tage bis zu jenem Tage der Verabredung, die du, Oda, mit dem andern hattest. Und in jeder Nacht von diesen beiden Nächten, die zwischen den drei Tagen lagen, wachte ich auf und horchte. Ich hörte zuerst nur ferne Automobile durch die todstillen

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Max Dauthendey: Geschichten aus den vier Winden. Albert Langen, München 1915, Seite 203. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Geschichten_aus_den_vier_Winden_Dauthendey.djvu/204&oldid=- (Version vom 31.7.2018)