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keine Verräter und Mörder der Morgenunschuld vermuten konnte.

Ich mochte keine Traube anrühren, und auch Ulrike legte die ihr zugereichte Traube, ganz beklommen dankend, neben sich ins Gras.

Sie sagte mir leise, sie wolle gehen. Der Student verstand es und sagte, er wolle uns noch in den Weingarten führen, wo sein Freund viele Netze aufgespannt hätte und die Vögel in einer anderen Weise einfinge als er.

Im Garten droben nahm uns dann der Drogist in Empfang. Er führte uns durch die dichten Laubengänge, in denen hohe Rebenstocke standen, die an Drähten ausgebreitet wuchsen und hohe Korridore bildeten. In diesen Gängen, an den Traubenwänden entlang, waren große haardünne Netze aufgespannt. In ihnen verfingen sich die kleinen Vögel im Durchfliegen. Sie zappelten hier in den Maschen wie die anderen vorhin an den Leimruten. Aber das Erschütterndste hier waren nicht die Netze, es war nicht die Fangart, sondern die Lockweise. Es waren da eine Reihe Käfige an der Wand. In denen hielt sich der Drogist geblendete Nachtigallen. Den Nachtigallen, die er gefangen hatte, hatte er die Augen ausgestochen, damit sie in ewiger

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Max Dauthendey: Geschichten aus den vier Winden. Albert Langen, München 1915, Seite 332. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Geschichten_aus_den_vier_Winden_Dauthendey.djvu/333&oldid=- (Version vom 31.7.2018)