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Tempelknabe in gelber Kutte drehte mit der Hand den gelben Zylinder, der sich auf einem Gestell rund um eine Achse bewegte. Jede Umdrehung des Zylinders galt soviel als das vollständige Ablesen der tausend Gebete, die eingedrängt auf ihr geschrieben waren.

Drinnen im Tempel war es dunkel wie in einem Stall. Hinter dicken Holzgittern standen die geschnitzten Götter, deren alte gebräunte Vergoldung kaum noch glänzte. Da war kein friedlicher Gott darunter. Alle Götter standen oder hockten in wilden verrenkten Stellungen, als wären sie den verzerrten Nebeln draußen nachgebildet.

Aus unzähligen Ölnäpfchen, voll kleiner Nachtlichter, flimmerten winzige Flämmchen. Wie die Futtertröge der Götter, so standen sie da vor den Gittern und nährten die speckigen Goldgesichter mit ihrem Ruß und belebten sie mit dem Gewimmel ihrer knisternden Flämmchen.

Nicht an allen Wänden standen Götterbilder. Es waren da Lücken, und dort am berußten und schmutzigen Wandkalk entdeckte ich Photographien, Ansichtspostkarten und Holzschnitte aus illustrierten englischen Zeitungen. Es waren Bilder von englischen,

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Max Dauthendey: Geschichten aus den vier Winden. Albert Langen, München 1915, Seite 48. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Geschichten_aus_den_vier_Winden_Dauthendey.djvu/49&oldid=- (Version vom 31.7.2018)