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gleichen Verleger, der die zweite etwas vermehrte Auflage der Peutingerschen Inscriptiones druckte.[1]

Von Peutingers Inschriftensammlungen ist jener Druck nun aber nur der kleinste Teil. Gar viel von seinen Schätzen ist erst der folgenden Generation zugute gekommen. Amantius und Apian, vor allem aber Marx Welser haben davon Nutzen gezogen. Den ganzen Umfang seiner Tätigkeit aber überblicken wir erst, seit wir die Handschriftenbände kennen. Da sehen wir, daß er sich neben seinem „Thesaurus rerum Germanicarum“, der alle ihm bekannt gewordenen chronikalen Quellen der deutschen Geschichte in Abschrift enthält[2], ein ganzes Corpus von Inschriften angelegt hat. Auch er hat, wie die kritische Untersuchung der Bände ergeben hat, es oft vorgezogen andere Sammlungen zu kopieren als selbst zu sammeln. Aber niemand von den Zeitgenossen erreicht ihn an Eifer und Weite des Blicks, wenige an Genauigkeit der Wiedergabe.[3] Denn die Tätigkeit, die Johann Choler, Propst von Chur, später in Augsburg und im Dienste der Fugger, neben ihm auf diesem Gebiet entfaltete, ist doch wohl ganz auf Peutingers Anregung zurückzuführen.[4] Seine Sammlungen umspannen Europa von Lissabon bis Dalmatien und von Neapel bis zum Rhein. Er zuerst hat die spanischen und portugiesischen Handelsbeziehungen der Welser, aus deren Haus seine Gattin Margarethe stammte, der Inschriftenkunde nutzbar gemacht.[5] War es Dankbarkeit dafür oder Gelehrteneitelkeit, die ihn bewog, in einer der merkwürdigsten Fälschungen, die die deutsche Renaissance kennt, einen Teil seiner Funde und seine Bemerkungen dazu unter dem Namen dieser seiner Gattin den Freunden vorzulegen?[6]

In diesem Brief, den angeblich Margarethe Welser an ihren Bruder Christoph in Rom schrieb um die Zweifel zu widerlegen, die Hieronymus Emser an dem Glück der Gelehrtenfrauen geäußert hatte, hat Peutinger dann auch den Zweck seiner Inschriften- und Münzsammlungen dargelegt: sie sollen dazu dienen die chronikale Überlieferung zu kontrollieren, sie zu ergänzen, wo sie lückenhaft, zu verbessern, wo sie falsch ist. Das versucht Peutinger zunächst an der römischen Kaisergeschichte des Leto[7] und ist offenbar nicht wenig stolz darauf, wenn es ihm gelingt, nach seinen Münzen und Steinen einen Aimilianus in Aemilianus, einen Quinctilius in Quintillus zu korrigieren. Wertvoll ist hier nur der Grundsatz, die Geschichte auf das urkundliche Material begründen zu wollen, bedeutsam vor allem, daß dieser Grundsatz Peutinger über die römische Kaisergeschichte hinausgetrieben hat: einmal zu einer Erweiterung des Gebietes nach


  1. [253] 66) Das richtige Verhältnis der Ausgabe Huttichs zur Tätigkeit Gresemunds, in Huttichs Vorrede verschleiert, ist CIL XIII, II, 303 ff. dargelegt. Über Gresemund [254] und Huttich s. jetzt Bauch im Archiv f. Hess. Gesch. N. F. V, 18 ff. und über Huttich weiteres unter Abschnitt VI.
  2. [254] 67) S. den Brief an Spalatin 1513 juli 25 bei Lotter-Veith 59.
  3. [254] 68) Von Mommsen gerühmt l. c. III, 477 u. 587.
  4. [254] 69) Über die Abhängigkeit seiner spanischen Sammlung von Peutinger s. CIL II, vi.
  5. [254] 70) Über seinen Hauptagenten Valentin Moravus s. Lotter-Veith 99 und 103 und CIL II, 23. Die Augsburger Stadtbibliothek hat einen Peutinger gehörigen Druck der Briefe König Emanuels von Portugal an Julius II. über die neuerworbenen Länder von 1508 und 1510. Auf dem zweiten: doctori eximio Conrado Peytinger domino meo S. Valentinus Moravus.
  6. [254] 71) Margaretae Velseriae.. ad Christophorum fratrem epistola. Ed. H. Andreas Mertens 1778. Von mir als Peutingers eigene, von ihm selbst in einen Brief seiner Frau umkorrigierte Arbeit nachgewiesen im Feuilleton der Frankfurter Zeitung vom 26. April 1903. Nr. 115. Ob Veith den Sachverhalt geahnt hat? Er sagt l. c. 116: Ceterum ubi nos primum illam [epistolam] legimus, in mentem veniebat recordari eoram, quae Plinius noster lib. I ep. 16 de Pompeii Saturnini uxore, eruditissima femina eiusque epistolis ad Euricium amicum scripsit: Legit mihi nuper epistolas Saturninus, quas uxoris esse dicebat. Plautum vel Terentium metro solutum legi credidi. Quae sive uxoris sunt, ut adfirmat, sive ipsius, ut negat, pari gloria dignus est, qui aut illa componat, aut uxorem, quam virginem accepit, tam doctam politamque reddiderit.
  7. [254] 72) Ein von Peutinger mit Randbemerkungen auf Grund seiner Münzsammlung versehenes Exemplar von Letos Compendium Historiae Romanae sah noch A. F. Oefele, s. Lotter-Veith 57.