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rückwärts, indem er geradeso wie Huttich und Cuspinian seinen Caesares Consules voranzustellen dachte[1], sodann aber nach vorwärts in die Geschichte der deutschen Kaiser hinein. Und hier treten für ihn ebenso naturgemäß wie für Nauklerus an Stelle der Inschriften die Urkunden. Nur daß auch hier, was bei dem Tübinger Kanzler gelegentlich versucht wird, bei Peutinger Gegenstand systematischer Forschung ist. Er zuerst hat die Klöster von der Donau bis zum Rhein auf Kaiserurkunden durchsucht oder durchsuchen lassen. Johann Choler muß ihm Ergänzungen aus Chur, Bruder Nikolaus Ellenbog aus Ottobeuren, Kurfürst Friedrich von Sachsen aus Magdeburg und den sächsischen Landen liefern.[2] Dabei richtet er sein Augenmerk wenig auf den Inhalt, nur „die anfanng vnnd Tittel, auch die Datum derselben brieue, des Jars Christi, keyserthumbs, oder kunigreichs“[3], außerdem noch etwa die Zeugenreihen sind ihm wichtig. So hat er sich ein kleines Diplomatar von Niederaltaich zusammengestellt, so sogar eine Sammlung von Kaisermonogrammen und Siegelabbildungen angelegt.[4] Wie bei den Inschriften ist auch hier mancherlei Wertvolles nur durch ihn gerettet worden.

Auf diesen Sammlungen nun baute sich Peutingers Lebensarbeit auf, sein Kaiserbuch. Es ist ungedruckt und auch in seinen handschriftlichen Entwürfen Fragment geblieben, einer der großen Torsi unserer humanistischen Geschichtschreibung, und das nicht nur deshalb, weil Peutinger, wie wir sehen werden, dieser Aufgabe nicht gewachsen war, sondern auch weil seine nächsten Zwecke in verhängnisvoller Weise von den genealogischen Bestrebungen seines kaiserlichen Gönners gekreuzt wurden. Deshalb soll es im Zusammenhang mit diesen besprochen werden.


Zu den Inschriften, Urkunden und erzählenden Quellen treten dann endlich auch noch die Rechtsbücher. Hier vollzieht sich besonders deutlich die Rückbildung einer mittelalterlichen Entwicklung auf dem Gebiet der Historiographie. Während wir dort eine Menge historischen Materials in den juristischen Kodifikationen erstarren sahen, werden jetzt diese selbst als historische Zeugnisse in Anspruch genommen. Auch hier aber führt der Weg von Rom nach Deutschland. Zunächst mußte die Auffassung des römischen Rechts aus einer dogmatischen eine historische werden, ehe man zum deutschen Recht gelangt. Und auch hier ist der Unterschied zwischen dem scholastischen und kritischen Humanismus bemerkenswert. Während jener das römische Recht mit traditioneller Verehrung betrachtet, beginnen


  1. [254] 73) Die bei Zapf, Merkwürdigkeiten 288 beschriebene Handschrift De consulibus Romanis, jetzt clm. 12351, ist nur eine Abschrift des Sichardschen Cassiodor, wie Mommsen bemerkt hat (und doch wohl dieselbe Hs., welche Mommsen Auct. Antiq. XI,II, 4173 aus dem Inventar von 1597 anführt), aber die bei Lotter-Veith 103 Nr. XI beschriebene explanatio nominum, dignitatum, officiorum beginnt mit der Königszeit und sollte doch wohl auch durch die Zeit der Republik hinabgeführt werden.
  2. [254] 74) S. für Choler Lotter-Veith 127 g, für Ellenbog dessen Briefe hinter Zapfs Ausgabe der Sermones convivales, bes. S. 139 das Ottobeurer Diplomatar, für Friedrich von Sachsen Herberger, Konrad Peutinger i. s. Verhältnisse zum Kaiser Maximilian I. (Jahresbericht d. hist. V. f. Schwaben u. Neuburg 1851) 64116. Für die Urkundensammlungen den Vortrag Königs l. c. 3478.
  3. [254] 75) Peutinger an Friedrich von Sachsen; vgl. seinen Brief an Ellenbog bei Zapf, Sermones 138: De nominibus et inscriptionibus procerum, principum, regum atque caesarum et de sancti [Zapf: salute] imperii et regni annis, ut in litteris donationum privilegiorumque eiusdem habentur, me certiorem reddas.
  4. [254] 76) S. die Beschreibung der Stuttgarter Hss. F. 243 u. 247 bei Heyd, Die historischen Handschriften der K. öffentl. Bibliothek zu Stuttgart I, 111 ff. u. 116.