Seite:De Heimatlos (Spyri) 033.jpg

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Da saß er hin und strich und geigte fort und fort und vergaß Essen und Trinken und alle Zeit. Erst als es schon fast dunkeln wollte, stand er auf und ging die Treppe hinunter. Die Base kam aus der Küche und sagte: „Du kannst denn morgen wieder essen, heut' hast du dich aufgeführt, daß dir nichts gehört.“

Rico empfand keinen Hunger, obschon er seit dem frühen Morgen nichts gegessen hatte; so hatte er auch jetzt nicht ans Essen gedacht und ging ganz getrost ins andere Haus hinüber und gleich in die Küche hinein, er suchte die Großmutter. Stineli stand am Herd und machte das Feuer an. Wie es des Rico ansichtig wurde, mußte es ganz laut aufjauchzen, denn schon den ganzen Tag durch, seit die Großmutter erzählt hatte, was begegnet war, hatte ihm der Boden unter den Füßen gebrannt, daß es nicht hinaus konnte, um seine Freude beim Rico auszulassen; aber es durfte keinen Augenblick fort. Nun war es aber auch wie außer sich und rief einmal ums andere: „Jetzt hast du sie! Jetzt hast du sie!“

Auf den Lärm kam die Großmutter aus der Stube, und Rico ging gleich zu ihr heran und sagte: „Großmutter, kann ich gehen und dem Lehrer danken, wenn er schon krank ist?“

Die Großmutter besann sich ein wenig, denn der Lehrer hatte schon am Morgen recht schwer krank ausgesehen; dann sagte sie: „Wart ein wenig, Rico, ich will mit dir gehen“, und ging, die saubere Schürze anzuziehen. Dann wanderten sie miteinander dem Schulhaus zu. Die Großmutter trat zuerst ein; dann kam ihr Rico leise nach, die Geige im Arm, denn diese hatte er noch keinen Augenblick weggelegt, seit sie ihm gehörte.

Empfohlene Zitierweise:
Johanna Spyri: Heimatlos. Gotha 1878, Seite 33. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Heimatlos_(Spyri)_033.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)