Seite:De Heimatlos (Spyri) 053.jpg

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Rico mußte auch anstoßen und tat es ganz fröhlich auf Stinelis Gesundheit.

Nun war die Zeit um, und als man wieder zum Wagen herantrat, kam ein dicker Mann auf Rico zu, der hatte einen so gewaltigen Stock in der Hand, daß man denken mußte, er habe einen jungen Baum ausgerissen. Er war in einen festen, gelb-braunen Stoff gekleidet von oben bis unten.

„Komm her, Kleiner“, sagte er, „du hast so schön gesungen. Ich habe dich gehört hier drinnen im Wagen, und ich habe es auch mit den Schafen zu tun wie du; siehst du, ich bin ein Schafhändler, und weil du so schön von den Schafen singen kannst, mußt du von mir auch etwas haben.“ Damit legte er ein schönes Stück Silbergeld in Ricos Hand, denn die Kappe war indessen geleert und alles in die Tasche gesteckt worden.

Dann stieg der Mann in den Wagen an seinen Platz und Rico wurde vom Kutscher wie eine Feder hinaufgehoben; dann ging's wieder davon.

Wenn der Wagen nicht zu rasch fuhr, wollten die Studenten immer gleich Musik haben, und Rico spielte alle Melodien, deren er sich nur erinnern konnte vom Vater her, und zuletzt spielte er noch: „Ich singe dir mit Herz und Mund.“

An dieser Melodie mußten die Studenten ganz sanft entschlafen sein, denn es war alles still geworden, und nun schwieg die Geige auch, und der Abendwind kam milde herangeweht, und leise stiegen die Sternlein auf am Himmel eins nach dem anderen, bis sie strahlten ringsum, wo Rico hinsah. Und er dachte an Stineli und die Großmutter, was sie nun tun, und es fiel ihm ein, daß um diese Zeit

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Johanna Spyri: Heimatlos. Gotha 1878, Seite 53. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Heimatlos_(Spyri)_053.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)