Seite:De Heimatlos (Spyri) 103.jpg

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saßen sie schon da am See. Bis die Sonne unter war, blieben sie an der Halde sitzen. Rico mußte dem Stineli zeigen, wo die Mutter stand, wenn sie wusch am See und er dasaß und auf sie wartete, und er mußte erzählen, wie sie miteinander über die schmale Brücke kamen und sie ihn an der Hand hielt.

„Aber wo seid ihr dann hingegangen?“ fragte Stineli. „Hast du nie das Haus gefunden, wo ihr hineingegangen seid?“

Rico verneinte es. „Wenn ich da hinaufgehe, vom See gegen die Schienenbahn hinauf, dann ist's auf einmal, als sei ich da mit der Mutter gestanden und habe auf einem Tritt gesessen und vor uns die roten Blumen gesehen; aber es ist nichts mehr da, und den Weg hinauf kenne ich nicht, den habe ich nie gesehen.“

Endlich standen sie auf und gingen dem Garten zu; Rico trug den Sack und Stineli den Korb. Wie sie in den Garten eintraten, mußte Stineli überlaut ausrufen: „O wie schön, o die schönen Blumen!“

Das hatte den Silvio aufgeschnellt wie eine Feder. Er schrie aus Leibeskräften: „Der Rico kommt mit dem Stineli!“

Die Mutter glaubte, das Fieber habe ihn gepackt; sie warf ihre Sachen dahinten im Kasten, wo sie herumkramte, alle übereinander und kam herbeigelaufen.

In dem Augenblick aber trat der lebendige Rico unter die Tür, und vor Schrecken und Freude hätte es die gute Frau fast umgeworfen, denn bis auf diesen Augenblick hatte sie heimlich immerfort die schwersten Befürchtungen ausgestanden, das Unternehmen könnte dem Rico doch ans Leben gehen.

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Johanna Spyri: Heimatlos. Gotha 1878, Seite 103. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Heimatlos_(Spyri)_103.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)