Seite:De Heimatlos (Spyri) 193.jpg

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„Du stirbst einmal nicht am Gescheitsein“, bemerkte Otto und ging aufs Geratewohl die große Wiese hin, die sich vom Haus bis gegen den Wald hinaufzog. Jetzt entdeckte er drei schwarze Punkte unter einem Birnbaum und ging darauf zu. Richtig, da bückte sich Wiseli, um die Birnen zusammenzulesen, dort saß der Chäppi rittlings auf seinem Birnenkratten, und zuhinterst lag der Hans rücklings über den vollen Korb hin und schaukelte sich so darauf, daß der Korb jeden Augenblick umzustürzen drohte. Chäppi sah ihm zu und lachte bei jedem Rucke.

Als Wiseli den Otto herankommen sah, kam ein ganzer Sonnenschein auf sein Gesicht. „Guten Abend, Wiseli“, rief er von weitem, „warum bist du so lange nicht in die Schule gekommen?“ Wiseli streckte ganz erfreut dem Otto die Hand entgegen. „Wir haben so viel zu tun, darum durfte ich nicht kommen“, sagte es; „sieh nur, wieviel Birnen es gibt! Ich muß vom Morgen bis zum Abend auflesen, soviel ich nur kann.“

„Du hast ja ganz nasse Schuhe und Strümpfe“, bemerkte Otto; „bah, hier ist's nicht gemütlich, frierst du nicht, wenn du so naß bist?“

„Es schaudert mich nur manchmal ein wenig, sonst ist es mir eher heiß vom Auflesen.“ In diesem Augenblick gab der Hans seinem Korb einen solchen Ruck, daß alles übereinander auf den Boden hinrollte; der Hans, der Korb und alle Birnen, die fuhren nach allen Richtungen hin.

„Oh, oh!“ sagte Wiseli kläglich, „nun muß man die alle wieder zusammenlesen.“

„Und die auch“, rief Chäppi und lachte heraus, als die Birne, die er geworfen hatte, dem Wiseli an die Schläfe fuhr, daß es ganz bleich wurde und ihm vor

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Johanna Spyri: Heimatlos. Gotha 1878, Seite 193. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Heimatlos_(Spyri)_193.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)