Seite:De Heimatlos (Spyri) 204.jpg

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nur folgendes zu sagen: Er hatte seine Summe beisammen, die er jährlich dem Herrn Oberst zur Verwahrung brachte; diese wollte er noch einmal überzählen, um seiner Sache sicher zu sein. Er hatte am späten Abend sich hingesetzt, den Rücken gegen die Fenster und die Tür gekehrt. Mitten im Zählen hörte er jemand hereinkommen; eh' er aber aufgeschaut hatte, fiel ein furchtbarer Schlag auf seinen Kopf; von da an wußte er nichts mehr. – Also hatte Andres eine Summe Geldes auf dem Tisch gehabt; davon war aber gar nichts mehr gesehen worden, als das einzige Stück in Joggis Hand. Wo könnte denn das andere Geld hingekommen sein, wenn wirklich Joggi der Übeltäter war? Als Andres vernahm, wie der Joggi gefunden worden und nun eingesperrt sei, wurde er ganz unruhig.

„Sie sollen ihn doch gehen lassen, den armen Joggi“, sagte er; „der tut ja keinem Kinde etwas zuleide, der hat mich nicht geschlagen.“

Andres hatte aber auch auf keinen anderen Menschen den leisesten Verdacht. Er habe keine Feinde, sagte er, und kenne keinen Menschen, der ihm so etwas hätte antun wollen.

„Es kann auch ein Fremder gewesen sein“, bemerkte der Doktor, indem er die niedrigen Fenster ansah; „wenn Ihr da beim hellen Licht einen Haufen Geld auf dem Tische liegen habt und zählt, so kann das von außen jeder sehen und Lust zum Teilen bekommen.“

„Es muß sein“, sagte der Andres gelassen, „ich habe nie an so etwas gedacht, es war immer alles offen.“

„Es ist gut, daß Ihr noch etwas im Trocknen habt, Andres“, bemerkte der Oberst. „Laßt's Euch nicht zu Herzen gehen; das beste ist, daß Ihr wieder gesund werdet.“

Empfohlene Zitierweise:
Johanna Spyri: Heimatlos. Gotha 1878, Seite 204. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Heimatlos_(Spyri)_204.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)