Seite:De Heimatlos (Spyri) 220.jpg

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ins Schlafzimmer hinein, kauerte sich neben dem Bett auf das Schemelchen nieder, nahm den roten Zuckerhahn auf den Schoß und war sehr traurig, daß es ihn zum letzten Male sehen sollte. Die Mutter blieb eine Zeitlang stumm und sinnend am Fenster stehen und bewegte Gedanken in ihrem Herzen hin und her, die sie immer mehr und aufregender beschäftigen mußten, denn jetzt fing sie an, im Zimmer hin und her zu gehen, und plötzlich verließ sie es und lief hierhin und dahin, nach dem Miezchen suchend. Sie fand es endlich noch hinter seinem Bett auf dem Schemel sitzend, in seine traurigen Betrachtungen versunken.

„Miezchen“, sagte die Mutter, „jetzt erzähl mir recht, wo und wann ein Mann dir drohte, und was er dir nachgerufen hat.“

Miezchen erzählte, was es wußte, es kam aber nicht viel mehr heraus, als es schon gesagt hatte. Nachgerufen hatte ihm der Mann das Wort, das der Papa über Tisch gesagt hatte, behauptete es. Die Mutter kehrte in das Zimmer zurück, wo der Vater saß, ging gleich zu ihm heran und sagte in erregtem Ton:

„Ich muß es dir wirklich sagen, es kommt mir immer wahrscheinlicher vor.“

Der Oberst legte seine Zeitung weg und schaute erstaunt seine Frau an.

„Siehst du“, fuhr diese fort, „die Szene am Tisch hat mir mit einem Male einen Gedanken erweckt, und je mehr ich ihn verfolge, je fester gestaltet er sich vor meinen Augen.“

„Setz dich doch und teil mir ihn mit“, sagte der Oberst, ganz neugierig geworden. Seine Frau setzte sich neben ihn hin und fuhr fort:

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Johanna Spyri: Heimatlos. Gotha 1878, Seite 220. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Heimatlos_(Spyri)_220.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)