Seite:De Heimatlos (Spyri) 227.jpg

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„Was ist denn hier geschehen?“ fragte die Frau Oberst und vergaß im Schrecken, „guten Tag“ zu sagen.

„Ach, Frau Oberst“, stöhnte Andres, „ich wollte, das Kind wäre nie in mein Haus gekommen!“

„Was“, rief sie noch erschrockener aus, „das Wiseli? Kann dieses Kind Euch ein Leid angetan haben?“

„Ach, um's Himmels willen, nein, Frau Oberst, so meine ich's nicht“, entgegnete Andres in Aufregung; „aber nun ist das Kind bei mir gewesen und hat mir ein Leben gemacht in meinem Häuschen, wie im Paradies, und jetzt muß ich das Kind wieder hergeben, und alles wird viel öder und leerer um mich her sein, als vorher. Ich kann es nicht aushalten; Sie können sich gar nicht denken, wie lieb mir das Kind ist; ich kann es nicht aushalten, wenn sie mir's wegnehmen. Morgen muß es gehen, der Vetter-Götti hat schon zweimal den Buben geschickt; es müsse nun zurück, morgen müsse es sein. Und dann ist noch etwas, das mir fast das Herz zersprengt: seitdem der Vetter-Götti geschickt hat, ist das Kind ganz still geworden und weint heimlich; es will es nicht so zeigen, aber man kann's wohl sehen, es macht ihm so schwer, zu gehen, und morgen muß es sein. Ich übertreibe nicht, Frau Oberst, aber das kann ich sagen: alles, was ich seit dreißig Jahren erspart und erarbeitet habe, gäbe ich seinem Vetter-Götti, wenn er mir das Kind ließe.“

Die Frau Oberst hatte den aufgeregten Andres ganz fertig reden lassen; jetzt sagte sie ruhig: „Das würde ich nicht tun an Eurer Stelle, ich würde es ganz anders machen.“

Andres schaute sie fragend an.

„Seht, Andres, so würde ich es machen: ich würde

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Johanna Spyri: Heimatlos. Gotha 1878, Seite 227. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Heimatlos_(Spyri)_227.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)