Seite:De Heimatlos (Spyri) 228.jpg

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sagen: 'All' mein wohlverdientes Gut will ich jemandem zurücklassen, der mir lieb ist. Ich will das Wiseli an Kindes Statt annehmen, ich will sein Vater sein, und es soll von Stund an als mein Kind in meinem Hause bleiben.' Würde es Euch nicht gefallen so, Andres?“

Der Andres hatte lautlos zugehört und seine Augen waren immer größer geworden. Jetzt ergriff er vor Bewegung die Hand der Frau Oberst und drückte sie gewaltig zusammen, dann keuchte er hervor:

„Kann man das wirklich machen? Könnte ich das mit dem Wiseli tun, so daß ich sagen könnte: das Wiseli ist mein Kind, mein eigenes Kind, und niemand hat mehr ein Recht an das Kind, und kein Mensch kann es mir mehr nehmen?“

„Das könnt Ihr, Andres“, versicherte die Frau Oberst, „geradeso! Sobald das Wiseli Euer Kind ist, hat kein Mensch mehr ein Recht auf das Kind, Ihr seid der Vater. Und seht, Andres, weil ich mir gedacht hatte, Ihr könntet den Wunsch haben, das Wiseli zu behalten, so habe ich meinen Mann gebeten, heute nicht fortzugehen, im Fall Ihr etwa gern gleich nach der Stadt in die Kanzlei fahren würdet, daß alles bald festgesetzt werde, denn zu Fuß könnt Ihr noch nicht gehen.“

Andres wußte gar nicht, was er tat vor Aufregung und Freude. Er lief dahin und dorthin und suchte den Sonntagsrock; dann rief er ein Mal ums andere: „Ist es auch sicher wahr? Kann's auch sein?“ Dann stand er wieder vor die Frau Oberst hin und fragte: „Kann es jetzt sein, gleich jetzt, heut' noch?“

„Gleich jetzt“, versicherte sie; doch gab sie nun dem Schreiner Andres die Hand zum Abschied, sie mußte

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Johanna Spyri: Heimatlos. Gotha 1878, Seite 228. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Heimatlos_(Spyri)_228.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)