Seite:De Heimatlos (Spyri) 234.jpg

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Wiseli noch alles aufräumen wollte, da kam es zu ihm heran und sagte, indem es seine Hände faltete:

„Vater, soll ich nicht den Liedervers der Mutter dir laut vorbeten? Ich hab' ihn heut' Abend immer wieder leise für mich sagen müssen, den will ich gewiß mein ganzes Leben lang nie vergessen.“

Andres war sehr zufrieden, den Vers zu hören, und Wiseli schaute zu den Sternen auf und sagte tief aus seinem Herzen heraus:

„Befiehl du deine Wege,
Und was dein Herze kränkt,
Der allertreu'sten Pflege
Des, der den Himmel lenkt.

Der Wolken, Luft und Winden
Gibt Wege, Lauf und Bahn,
Der wird auch Wege finden,
Da dein Fuß gehen kann.“

* * * * *

Von diesem Tage an war und blieb das allerglücklichste Haus im ganzen Dorf und im ganzen Land das Häuschen des Schreiners Andres mit dem sonnigen Nelkengarten. – Wo seither das Wiseli sich blicken ließ, da waren alle Leute so freundlich mit ihm, daß es nur staunen mußte. Denn vorher hatten sie es nie beachtet, und der Vetter-Götti und die Base gingen nie am Haus vorbei, ohne schnell hereinzukommen und ihm die Hand zu geben und zu sagen, es solle auch zu ihnen kommen.

Über diese Wendung war das Wiseli froh, denn es hatte immer einen heimlichen Schrecken gehabt beim Gedanken, was der Vetter-Götti zu allem sagen werde.

Empfohlene Zitierweise:
Johanna Spyri: Heimatlos. Gotha 1878, Seite 234. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Heimatlos_(Spyri)_234.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)